Multiple Sklerose: Epstein-Barr-Virus-Infektion könnte Auslöser sein
Das Epstein-Barr-Virus kann laut neuen Erkenntnissen die Nervenkrankheit Multiple Sklerose herbeiführen. Man könne dem jedoch entgegenwirken.
Das Wichtigste in Kürze
- Forscher haben neue Erkenntnisse zu Multipler Sklerose herausgefunden.
- Das Epstein-Barr-Virus sei demnach die Hauptursache für die Nervenkrankheit.
- Durch antivirale Therapien oder Impfungen könnte man vielleicht die Krankheit verhindern.
Das Epstein-Barr-Virus gilt laut der im Fachmagazin «Science» veröffentlichten Studie als Hauptursache für Multiple Sklerose. Daneben spielen Gene und Umweltfaktoren eine zentrale Rolle. Womöglich liesse sich die Nervenkrankheit mit einer Impfung oder antiviralen Therapien verhindern.
Fast jeder Mensch infiziert sich in seinem Leben mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV). Meistens verläuft die Infektion aber unbemerkt, einige erkranken am Pfeifferschen Drüsenfieber. Doch das Virus wird man nicht los: Es schlummert in bestimmten Zellen des Immunsystems vor sich hin. Es könnte eine Ursache für die Nervenkrankheit Multiple Sklerose sein, wie Forschende seit geraumer Zeit vermuten.
Eine umfassende Studie unter der Leitung von Alberto Ascherio, Professor an der Harvard T.H. Chan School of Public Health, erhärtet diese These nun.
Das Team, dem auch Jens Kuhle von der Universität Basel angehört, analysierte Blutproben von mehr als zehn Millionen US-Militärangehörigen. Während zwanzig Jahren wurde deren Blut routinemässig auf HIV getestet.
Epstein-Barr-Virus: Mögliche Hauptursache für Multiple Sklerose
In die Studie wurden 801 Personen eingeschlossen, die während ihres Dienstes an Multiple Sklerose erkrankt waren. 35 der Betroffenen waren bei der ersten Blutentnahme noch EBV-negativ. Allerdings infizierten sich 34 von ihnen vor dem Ausbruch von Multiple Sklerose mit dem Virus. Somit waren alle bis auf eine Person zum Zeitpunkt des Beginns der MS-Krankheit EBV-positiv.
Aus den Daten ging ebenfalls hervor, dass die Konzentration sogenannter «leichter Neurofilamente» nach der Virusinfektion anstieg. Diese Filamente gelten als MS-Biomarker, sie widerspiegeln die Schäden an Nervenzellen. Dies spreche dafür, dass der Krankheitsprozess tatsächlich erst mit dem Beginn der Infektion eingesetzt habe. Das sagte Neuroimmunologe Roland Martin vom Universitätsspital Zürich, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber dem Science Media Center.
Auch Gene spielen wichtige Rolle
Zudem fanden die Forschenden keinen Zusammenhang zwischen einer MS-Erkrankung und einer Infektion mit dem Cytomegalovirus. Dieses ist ebenfalls sehr weit verbreitet ist. «Die Ergebnisse können durch keinen bekannten Risikofaktor erklärt werden. Sie legen nahe, dass EBV die Hauptursache für Multiple Sklerose ist», schliessen die Autoren.
Für den Zürcher Mediziner Martin geht diese Schlussfolgerung allerdings etwas zu weit: Zum einen gebe es eine Vielzahl von Genen, die das Risiko einer MS-Erkrankung jeweils erhöhen könnten. Zum anderen spielten auch Umweltfaktoren eine wichtige Rolle.
Hierzu gehörten unter andrem niedriges Vitamin D, Rauchen, Schichtarbeit sowie bestimmte Darmbakterien. «Ob nun das EBV der wichtigste Umweltfaktor ist oder einer unter mehreren, kann die Studie meines Erachtens nicht abschliessend klären.» Das meinte Martin.
Eine EBV-Infektion sei wahrscheinlich notwendig, aber nicht ausreichend, um die Entwicklung von MS auszulösen. Das vermuten die US-Forscher William Robinson und Lawrence Steinman von der Universität Stanford in einem Begleitartikel zur Studie: «Die Infektion mit EBV ist der erste pathogene Schritt bei Multiple Sklerose. Für die vollständige Pathophysiologie müssen aber noch weitere Zündschnüre gezündet werden.»
Gar Ausrottung möglich?
Eine wirksame Waffe gegen MS könnte eine Impfung gegen das EB-Virus sein, solange man sie vor der Infektion verabreicht. Solche Impfstoffe seien derzeit in der Entwicklung, sagte der Basler Professor, Jens Kuhle, in einer Mitteilung seiner Hochschule und ergänzte: «Womöglich könnte man dann auch MS durch eine Impfung verhindern.»
Ebenfalls könnten antivirale Therapien ihm zufolge eine vielversprechende Alternative sein. Denn es bestehe zumindest die Möglichkeit, «dass EBV nicht nur als Auslöser eine Rolle spielt. Auch bei der Auslösung von Entzündungsschüben könnte es wichtig sein.»
Die US-Forscher Robinson und Steinman diskutieren in ihrem Artikel ebenfalls verschiedene Optionen für Therapien und wagen sogar die Aussage: «Jetzt, da der erste Auslöser für MS identifiziert wurde, könnte MS vielleicht ausgerottet werden.»