Doppeltes Bremsmanöver Millionen Kilometer entfernt: Die europäische Raumfahrt bremst binnen Stunden zwei Missionen an der Venus ab, eine dritte Mission ist schon vor Ort. Ein gegenseitiges Fotoshooting gibt es bei dem Fast-Rendezvous am Nachbarplaneten aber nicht.
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Die Venus war wohl schon immer lebensfeindlich. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Was angesichts der Satellitendichte in der Erdumlauflaufbahn idyllisch anmutet, ist an der Venus fast schon hohes Verkehrsaufkommen.
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Binnen weniger Stunden werden am kommenden Montag und Dienstag (9. und 10. August) die Esa-Sonden «Solar Orbiter» und «BepiColombo» an der Venus vorbeifliegen, um auf dem Weg zu ihren Missionszielen abzubremsen. Zusammen mit dem japanischen Venus-Orbiter «Akatsuki» sind dann gleich drei Forschungssonden am erdnächsten Planeten.

«Das war nicht aktiv geplant. Jetzt sind die Wissenschaftler ganz froh, weil sie drei Datensätze von der Venus aus unterschiedlichen Blickwinkeln bekommen, was für sie ein Novum ist», sagt der Leiter des Esa-Missionsbetriebs im Kontrollzentrum in Darmstadt, Simon Plum. «Dass man die Venus aus drei verschiedenen Winkeln beobachten kann, ist einmalig.»

Ein gegenseitiges Fotoshooting wird es bei der Venus nicht geben. «Das hatten wir untersucht, aber das funktioniert nicht, dafür kommen sie sich nicht nah genug.» Dass es dennoch fast zum Rendezvous kommt, liegt an Verzögerungen bei den Missionen.

«Solar Orbiter» wird am 9. August um 6.42 Uhr Schweizer Zeit in einer Entfernung von 7995 Kilometern an der Venus vorbeifliegen. Einen Tag später wird an der gegenüberliegenden Planetenseite «BepiColombo» um 15.48 Uhr in nur 550 Kilometern Höhe die geringste Distanz erreichen. Das ist nur wenig mehr als der Abstand der Internationalen Raumstation ISS zur Erde.

Die Atmosphäre der Venus besteht nach Angaben des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) hauptsächlich aus Kohlendioxid, was zu einem erheblichen Treibhauseffekt führt. Die Temperaturen auf dem inneren Nachbarplaneten im Sonnensystem liegen demnach Tag und Nacht bei etwa 470 Grad Celsius.

Die Zusammensetzung der Atmosphäre sei Gegenstand der Untersuchungen der japanischen Sonde «Akatsuki», hiess es. Dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung zufolge sammeln auch «BepiColombo» und «Solar Orbiter» wertvolle Daten.

Bange ist Plum und seinem Team in Darmstadt nicht. «Wir versuchen jetzt das Beste aus diesem glücklichen Zufall zu machen.» Man habe für die Steuerung der Sonden Teams mit Spezialisten. «Das ist nicht mehr Aufwand, aber auch nicht weniger.» Noch immer könnten im Kontrollzentrum wegen der Corona-Pandemie die Teams nicht in voller Stärke arbeiten. Bei beiden Missionen gebe es im Vorfeld noch kleine Kurs-Korrekturen.

Beim Vorbeiflug habe man dann ohnehin keine Eingriffsmöglichkeiten mehr. Zur Venus gebe es immerhin zehn Minuten Datenverzögerung. Aber: «Wir sind gut vorbereitet. Etwas Unvorhergesehenes kann immer passieren, aber das ist das normale Risiko», sagt Plum. Einen Zusammenstoss könne man mit Sicherheit ausschliessen.

Die europäische Raumfahrtagentur steuert nach eigenen Angaben derzeit 25 Satelliten, 22 vom Kontrollzentrum in Darmstadt aus. Die Raumsonde «BepiColombo» startete im Oktober 2018 ihre sieben Jahre dauernde Reise zum sonnennächsten Planeten Merkur.

Mit zwei Satelliten an Deck soll sie ab Dezember 2025 die Oberfläche und das Magnetfeld des Himmelskörpers untersuchen. Das europäisch-japanische Gemeinschaftsprojekt mit Gesamtkosten von rund zwei Milliarden Euro soll dazu beitragen, die Ursprünge des Sonnensystems zu verstehen.

Die rund 1,5 Milliarden Euro teure Weltraumsonde «Solar Orbiter» der Esa und der US-Raumfahrtbehörde Nasa war im Februar 2020 von Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida gestartet. An Bord des 1,8 Tonnen schweren Orbiters sind zehn wissenschaftliche Instrumente. Forscher erhoffen sich neue Erkenntnisse über die Sonne und das Magnetfeld. «Solar Orbiter» soll bis auf 42 Millionen Kilometer an die Sonne heran fliegen.

Die Sonde hat bereits erste Filme von Partikeleruptionen aus der Sonnenatmosphäre aufgenommen. Solche starken Sonnenwinde können das sogenannte Weltraumwetter beeinflussen. Bei Planeten mit Atmosphäre können die Teilchen Polarlichter auslösen. Sie können aber auch zu technischen Problemen führen, wie dem Ausfall von Navigationssystemen oder Schäden an Satelliten.

Beide Sonden fliegen auf ihrer Reise mehrfach und geplant an Planeten vorbei, um abgebremst zu werden. Der «Solar Orbiter» wird hierbei im November zum letzten Mal die Erde passieren. Ohne diese Manöver würden die Sonden in Richtung Sonne durch die Anziehungskraft immer weiter beschleunigt und höchstwahrscheinlich an dem Stern vorbeischiessen, sagt Plum. «Wir müssen sie abbremsen, damit sie in die entsprechenden Orbits einschwenken können.»

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