Wenn Trauer krankhaft wird

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Zürich,

«Anhaltende Trauerstörung» heisst eine neue offizielle Diagnose der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Doch diese Diagnose ist umstritten.

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Seit vergangenem Jahr ist die «Anhaltende Trauerstörung» eine offizielle Diagnose der Weltgesundheitsorganisation (WHO). - Pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • «Anhaltende Trauerstörung» ist eine neue offizielle Diagnose der WHO.
  • Diese Diagnose ist umstritten, weil sie stark von der Kultur der Trauernden abhängt.

Trauer ist eine durch und durch menschliche Erfahrung. Doch sie kann auch krankhaft werden – Psychologen sprechen von einer «Anhaltenden Trauerstörung». Diese Art der Trauer wird seit vergangenem Jahr offiziell von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheit anerkannt.

Betroffene entwickeln eine starke Sehnsucht und ein schmerzhaftes Verlangen, dass als echter körperlicher Schmerz wahrgenommen werden kann. Und: Die Trauer dauert länger und ist intensiver als üblich. Was das aber heisst, ist umstritten.

Trauer je nach Kultur unterschiedlich

Was üblich ist, hängt davon ab, wo und wie die Trauernden leben. Deswegen sieht die WHO- Klassifikation auch vor, dass die Symptome die sozialen, kulturellen und religiösen Normen der jeweiligen Kultur deutlich übersteigen müssen. So sehen die Diagnosekriterien etwa vor, dass die Trauer mehr als sechs Monate anhält. Aber in vielen Kulturen – etwa in katholischen Ländern – gilt ein ganzes Jahr Trauer als normal.

Clare Killikelly, Arbeitsgruppenleiterin am Psychologischen Institut der Universität Zürich, hat die kulturellen Unterschiede in einer nun im Fachblatt «Psychopathology» veröffentlichten Studie genauer untersucht. Dafür befragte sie Gesundheitspersonal zu ihren Erfahrungen mit Trauernden aus China und aus der Schweiz.

Weinende Frau
Bei Trauer gibt es kulturelle Unterschiede. - Pexels

Es stellte sich heraus, dass sich die krankhaft Trauernden in China eher taub fühlen, während in Europa das Gefühl vorherrscht, man stecke fest. Auch die körperlichen Symptome zeigen sich bei Chinesen eher als Kopf- oder Bauchschmerz, während Trauernde in Europa eher müde sind und Schlafprobleme haben.

Durch Diagnose Menschen gezielter behandeln

Aber nicht nur diese kulturellen Unterschieden sind ein Problem: Bei einer Umfrage unter fast 3000 deutschen Psychologen und Medizinern gab etwa die Hälfte zu bedenken, dass die neue Diagnose zu einer Pathologisierung von normaler Trauer beitrage, das heisst, das ein eigentlich normales Gefühl als krankhaft bewertet und gedeutet wird.

«Wir wollen niemanden pathologisieren», verteidigt Andreas Maercker, Leiter des Forschungsbereiches Psychopathologie an der Universität Zürich, die Diagnose. «Aber es gibt reale Auswirkungen im Leben der Betroffenen. Etwa Mütter, die sich nicht mehr um ihre noch lebenden Kinder kümmern.» Durch die Diagnose könne man diese Menschen nun gezielt behandeln.

Denn die Symptome einer Anhaltenden Trauerstörung wurden früher oft als Depression bei Trauernden fehldiagnostiziert, erklärt Maercker. Anti-Depressiva helfen bei der Trauerstörung aber nicht. Stattdessen helfe Betroffenen eine kognitive Verhaltenstherapie oder die sogenannte «narrative Intervention». Also: das Erzählen.

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