Wer gegen starkes Übergewicht kämpft, bekommt Unterstützung
Immer mehr Schweizer sind übergewichtig. Doch der Kampf gegen die Pfunde ist schwer und mühsam. Ein Medikament aus der Diabetestherapie könnte nun helfen.
Das Wichtigste in Kürze
- An Übergewicht leiden vier von zehn Schweizern, jeder Zehnte ist gar fettleibig. Abnehmen auf Dauer ist sehr schwer.
- Eine Studie zeigt nun: Ein Wirkstoff, der in den Stoffwechsel eingreift, bringt Gewichtsverlust bei Fettleibigen.
- Doch die Medizin hat auch Nebenwirkungen. Sie wird Diät und Sport als Therapie eher unterstützen als ersetzen.
Das Geschäft mit Diäten und Ernährungsratgebern brummt. Kein Wunder, sind doch vier von zehn Schweizer Erwachsenen übergewichtig. Und jeder Zehnte ist gemäss Bundesamt für Statistik sogar fettleibig oder adipös, hat also einen Body-Mass-Index (BMI) von über 30. Mit Folgen für die Gesundheit: Fettleibige haben öfter Diabetes oder Bluthochdruck.
Diesen Patienten verschreiben Ärzte in der Regel Bewegung und eine Diät. Doch: «Es ist schwierig, eine Adipositas langfristig nur durch eine Umstellung des Lebensstils zu behandeln», sagt Andreas Birkenfeld vom Universitätsklinikum Dresden. «Klinische Daten zeigen, dass nur einer von 500 Patienten eine deutliche Gewichtsreduktion langfristig beibehalten kann.»
Künftig könnte Betroffenen der Wirkstoff Semaglutid helfen, der bereits bei Diabetes genutzt wird. In einer klinischen Studie untersuchte Birkenfeld zusammen mit Kollegen, wie über 900 fettleibige Patientinnen und Patienten aus acht Ländern auf Semaglutid reagierten. Die Patienten bekamen einmal täglich entweder verschiedene Dosen des Wirkstoffs oder ein Placebo unter die Haut gespritzt. Gleichzeitig hielten alle Teilnehmer eine kalorienreduzierte Diät. Ergebnis: Im Schnitt verloren Patienten mit der höchsten Dosis Semaglutid knapp 14 Prozent an Gewicht in einem Jahr, mit Placebo waren es rund zwei Prozent. Ein Hersteller des Wirkstoffs finanzierte die Studie.
Der Abnehm-Effekt kommt daher, dass Semaglutid direkt in den Stoffwechsel eingreift. Es wirkt ähnlich wie das natürliche Darmhormon GLP1. Dieses sorgt normalerweise dafür, dass Nahrung langsamer vom Darm ins Blut gelangt und es signalisiert dem Gehirn: Ich bin satt. «Bei fettleibigen Menschen ist die Ausschüttung dieses Hormons gestört, sie fühlen sich also seltener satt», sagt Birkenfeld.
Ein Mittel um lediglich ein paar Pfunde nach Weihnachten zu verlieren, sei der Wirkstoff jedoch auf keinen Fall, sagt Oberarzt Georgios Peros, der am Kantonsspital Winterthur Adipositas behandelt. Denn Semaglutid hat auch Nebenwirkungen. Die häufigste ist Übelkeit, es kann aber auch zu Erbrechen und Durchfällen kommen. Und, so Peros, man müsse die Medizin langfristig nehmen – sobald man sie absetzt, erscheinen auch wieder die Fettpolster. Peros sieht das Medikament für Fettleibige vor allem als Zusatzbehandlung zu einer Therapie mit Sport und Diät. Selbst wenn der Wirkstoff also wie erwartet in einigen Jahren auf den Markt kommt: Den mühsamen Kampf mit dem Lebenswandel wird er nicht ersetzten.
Initiated by Gebert Rüf Stiftung