Netflix-Serie Collateral: Mord, Vorurteile und tiefe Abgründe

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Grossbritannien,

Ein syrischer Migrant wird getötet. Es ist ein sauberer Schuss – der den Blick auf schmutzige Machenschaften lenkt und auf den Dreck am Stecken so einiger Gutmenschen freigibt. Eine Mini-Serie in vier Teilen und mit Carey Mulligan im Lead, die zum Spiegel der britischen Gesellschaft werden will. Ob der schmucke Vierteiler das kann?

«Collateral» zieht den Mahnfinger richtig hoch auf.
«Collateral» zieht den Mahnfinger richtig hoch auf. - Netflix

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Mini-Serie «Collateral» von Regisseur David Hare ist eine Koproduktion von BBC2 und Netflix.
  • In der Hauptrolle der misstrauischen Ermittlerin Kip Glaspie zu sehen ist Kino-Star Carey Mulligan.
  • Ein syrischer Flüchtling wird ermordet und bald ist klar: Das Establishment will alles unter den Teppich kehren.

Die Geschichte

«Collateral» beginnt in einem schicken Hauseingang irgendwo in London. Der Pizzaboy eilt mit seiner Lieferung die Treppe hoch. Während er sein Geld bekommt, quengeln die Kinder. Gerade als die entnervte Mutter Karen (Billie Piper) die Lieferung – Pizza und Koks – konsumieren will, zerreisst ein Schuss die ruhige Nacht. Der Pizzaboy liegt tot im Hauseingang.

Wenige Augenblicke später kriecht Kommissarin Kip Glaspie (Carey Mulligan) unter dem Absperrband hindurch und blickt auf den Toten: Abdullah ist ein syrischer Flüchtling, der Mord ganz offensichtlich von langer Hand geplant, der Schuss so präzise, dass ein Berufsschütze dahinter stecken muss.

Collateral zeigt nicht nur Schaden, der gerade passiert, sondern auch den längst vergangenen: Sandrine Shaw (Jeany Spark).
Collateral zeigt nicht nur Schaden, der gerade passiert, sondern auch den längst vergangenen: Sandrine Shaw (Jeany Spark). - Netflix

Gleichzeitig wäscht Sandrine Shaw (Jeany Spark), Captain der British Army, sich in der Kaserne die letzte Schuld vom Leibe.

«Collateral» besteht vor allem aus einem: Guten Menschen mit schlechten Geheimnissen.

David Mars (John Simm) als wohlmeinender und falsch-handelnder Politiker.
David Mars (John Simm) als wohlmeinender und falsch-handelnder Politiker. - Netflix

Da ist die lesbische Vikarin Jane (Nicola Walker), deren Partnerin die einzige Zeugin des Mordes ist. Doch nicht nur war sie in der Nacht völlig zugedröhnt, sie lebt auch illegal in England. Ein Problem, das Labour-Shootingstar David Mars (John Simm) Kraft seines Amtes für seine alte Freundin Jane zu beseitigen versucht. Ob er die gleiche Hilfe auch seiner Ex-Frau Karen zukommen lassen würde? Der Frau, die immer Mittwochs Pizza mit Koks bestellt?

Die steife Priesterkluft ist nicht das Einzige, bei dem es Jane Oliver (Nicola Walker) nicht allzu genau  nimmt.
Die steife Priesterkluft ist nicht das Einzige, bei dem es Jane Oliver (Nicola Walker) nicht allzu genau nimmt. - Netflix

Was hat MI5-Agend Sam (John Hefferman) mit der Schlepperin Berna (Maya Sansa) zu tun? Und warum will er Abdullahs Schwestern lieber hinter Gitter sehen, als die Flüchtlingsfrauen anzuhören?

Das Fazit

«Collateral» taucht den Mahnfinger tief ein in die pädagogische Sauce. Da ist Captain Shaw, die weiss und doch nicht begreift, warum die Gesellschaft schockiert ist ob Abdullahs Tod. Die gleiche Gesellschaft, die sie, Sandrine Shaw, als Mordmaschine in den Krieg geschickt hat. Dort hat sie hunderte Menschen wie Abdullah getötet und dafür eine Beförderung bekommen. Und jetzt, hier, in der zivilisierten Welt?

Das bringt uns zu der Gesellschaft selber. Eine Gesellschaft, die das Flüchtlingselend gerne übersieht. Vielleicht, wenn der Brexit dann endlich Tatsache ist, fällt das noch leichter. Für den illegalen Migranten Abdullah aber hat die Gesellschaft plötzlich Augen. Nicht, weil er sein Leben für diese eine Chance namens Westen aufs Spiel gesetzt hat. Sondern weil er eben dieses Leben im Hauseingang einer wohlhabenden Gegend verloren hat.

Kip Glaspie (Carey Mulligan) jagt in «Collateral» nach Verbrechern, Wahrheit und ihrem eigenen Gewissen.
Kip Glaspie (Carey Mulligan) jagt in «Collateral» nach Verbrechern, Wahrheit und ihrem eigenen Gewissen. - Netflix

Regisseur und Drehbuchautor David Hare rührt mit der grossen Ethik-Kelle an. Und das gleich auf den ersten Streich: «Collateral» ist seine erste TV-Serie. Die vier Folgen spiegeln die vier Tage nach dem Mord an Abdullah. Aufgeklärt ebenso, wie verschleiert, wird dieser von einer hochkarätigen Besetzung. Dazu gehört die Oskar-Nominierte Carey Mulligan.

Sehenswert weil

Das Schauspiel ist brillant, die Kamera gekonnt geführt – die Botschaft leider etwas gar zu plump: Schau genau hin, sei fair, geh nicht den einfachsten Weg, denn die anderen sind auch Menschen.

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