Arbeitgeber wollen Lohnvideos löschen lassen
Lohntransparenz passt nicht allen. Ein Tiktoker, der Abrechnungen postet, musste schon mehrere Videos löschen – wegen hässiger Chefs und neidischer Kollegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Tiktok-Account postet anonymisiert Lohnabrechnungen aus fast allen Branchen.
- Doch das sorgte auch schon für Ärger mit Chefs oder Arbeitskollegen.
- Mehrmals musste er deshalb die Lohnabrechnungen wieder löschen.
Die einen tun es gerne, die anderen gar nicht: über den eigenen Lohn sprechen. Klar ist aber, dass Lohntransparenz im Trend liegt – vor allem auf Social Media. Für Furore sorgte zum Beispiel ein Solothurner Assistenzarzt, der auf Tiktok ausplauderte, dass er 7000 Franken verdient.
Oder aber die Accounts auf Tiktok, Instagram und Youtube von «UFW Schweiz», der Dutzende Lohnabrechnungen anonymisiert teilt. Und das aus den verschiedensten Branchen. Ein paar Beispiele: Ein Primarlehrer aus Zürich verdient brutto 7290 Franken, ein Aldi-Filialleiter (29 Jahre) 7790 Franken und eine Oberärztin 11'650 Franken.
Der Account gehört Sebastian (Ende 20) aus Zürich, der nur mit Vornamen erwähnt werden will. «Ich will das Thema in den Vordergrund rücken, nicht mich selbst», sagt er zu Nau.ch.
Gestartet hat er den Account, um mehr Menschen dazu anzuregen, im Freundeskreis über ihre Finanzen zu sprechen. «So kann man sich austauschen und gegenseitig Tipps geben», erklärt er.
Account musste Videos wegen hässiger Arbeitskollegen löschen
Doch nicht überall kommt das gut an: Es gab schon Videos, die Sebastian wieder löschen musste – weil sich Mitarbeitende oder Vorgesetzte so darüber aufregten. «Ein Fall hat mich besonders erstaunt», erinnert er sich.
«Ein Team- oder Abteilungsleiter aus der Handwerkerbranche schrieb mir, ich müsse seine Lohnabrechnung wieder aus dem Netz nehmen. Seine Mitarbeiter hätten sie gefunden. Sie erschlossen über bestimmte Nummern und die Anzahl Kinder bei den Abzügen, dass es die Abrechnung ihres Chefs war.»
Darüber ärgerten sie sich offensichtlich so sehr, dass sie bis zur Geschäftsleitung gingen. «Es hat mich erstaunt, wie krass die Leute Detektiv spielen. Überraschend fand ich aber vor allem die Boshaftigkeit, der Geschäftsführung davon zu erzählen.» Der Mann habe zwar nicht bestätigt, dass die Mitarbeitenden ihm den Lohn nicht gönnten, doch Neid sei naheliegend.
Genau wegen dieses Risikos halte Sebastian die Informationen in seinen Videos sehr minimal. Rückschlüsse sind so grundsätzlich nicht möglich. «Es geht nie um die Person selber, sondern nur um den Lohn.»
Chefs drohten mit Verwarnung
Es kam aber auch schon vor, dass Vorgesetzte Druck machten. «Bei einem Verkaufsmitarbeiter war das der Fall», erzählt Sebastian. «Ich sah plötzlich, dass ich extrem viele Benachrichtigungen hatte, alles in Grossbuchstaben. Der Mann wollte, dass ich alles sofort lösche.»
Wie er Sebastian erzählte, hätten ihm seine Vorgesetzten gar mit einer Verwarnung gedroht. «Auch hier hat es mich erstaunt, dass so heftig reagiert wurde. Aber ich muss zugeben: Im Verkauf, wo mit Provisionen gearbeitet wird, verstehe ich, dass Unternehmen keine Freude an öffentlichen Lohnabrechnungen haben.»
Denn: «Wenn man die Provision sieht, kann man unter Umständen daraus schliessen, welche Marge eine Firma verlangt. Das ist natürlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.»
Es habe auch schon Versuche gegeben, Accounts zu sperren. «Da wurden Videos mehrfach gemeldet, weil Leute so missgünstig werden, sobald es um Geld geht. Ich bekam meine Konten aber immer wieder zurück, weil die Meldungen unberechtigt waren.»
Pflegeberufe und Führungsjobs lösen heftigste Reaktionen aus
Und welche Löhne lösen die heftigsten Reaktionen aus? «Ganz klar: die Löhne der Jobs, bei denen sich alle etwas darunter vorstellen können.» Meistens sind es Pflegeberufe oder Führungspositionen – wobei die Rückmeldungen bei Führungspositionen fast ausschliesslich negativ seien.
«In der Pflege ist es gemischt, einige staunen, wie viel die Leute verdienen, andere finden es wenig. Während Corona wurde enorm viel über diese Berufe gesprochen, deshalb interessiert das wohl auch so.»
Ein grosses Problem seien Beschwerden über die Lohnabrechnungsvideos nicht, erklärt Sebastian. Er habe insgesamt auf mehreren Accounts und Plattformen schon zwischen 400 und 500 Lohnabrechnungen veröffentlicht. Löschen musste er aber bisher nur fünf Videos. «Alle davon waren aus der Handwerker- oder Verkaufs- und Beratungsbranche.»