Coronavirus: Soziologe verteidigt Bersets Impf-Gespräche
Bundesrat Berset sorgt mit seiner Impfoffensive zum Coronavirus bei den Kantonen für rote Köpfe. Experten sind sich bei den jüngsten Massnahmen nicht einig.
Das Wichtigste in Kürze
- Ungeimpfte sollen durch persönliche Beratungsgespräche von der Impfung überzeugt werden.
- Bei den Kantonen kommt die Massnahme des Bundesrats nicht gut an.
- Die Meinungen von Experten dazu sind unterschiedlich.
«Im Kanton Bern ist die Rekrutierung von Beratungspersonen nicht vorgesehen. Wir halten diese Massnahme nicht für zielführend.» Die Aussage von Naomi Brunner von der Gesundheitsdirektion Bern ist klar und deutlich. Der Kanton Bern pfeift auf die Impfoffensive des Bundesrats.
Dieser hat am Mittwoch eine neue Strategie angekündigt, um der Pandemie ein Ende zu setzen. Dabei setzt Alain Berset unter anderem auf Beratungsgespräche mit Ungeimpften durch Fachpersonal.
Soziologe haltet Beratungsgespräche für sinnvoll
Im Gegensatz zum Kanton Bern betrachtet Soziologe Ueli Mäder die jüngsten Massnahmen als geeignet. «Ich halte Beratungsgespräche für sinnvoll, sie greifen inhaltliche Fragen und emotionale Widerstände auf», sagt er gegenüber Nau.ch. Dies sei zielführender, als auf finanzielle Anreize zu setzen.
Die Gegenwehr aus der Hauptstadt könne er nicht nachvollziehen. «Die Kantone können ja eigene Akzente setzen. Und so lernen alle von unterschiedlichen Zugängen», sagt Ueli Mäder.
Der zunehmende Druck des Bundes werde die Spaltung der Gesellschaft nicht fördern. «Die Spaltung hält sich ohnehin in Grenzen, intensive Auseinandersetzungen gehören zur Demokratie.» Viel problematischer seien die sozialen Ungleichheiten, so Mäder.
Der Druck bestehe durch die Pandemie ohnehin. «Da hilft mehr psychische Entlastung. Sonst reagieren Menschen irrational. Und dann verengen sich die Debatten noch mehr», bekräftigt der 70-Jährige.
Ethik-Expertin: «Druck erzeugt oft Gegendruck»
Anders sieht das Ruth Baumann-Hölzle. Laut der Leiterin von Dialog Ethik birgt die Impfoffensive des Bundes Gefahren. «Druck erzeugt oft Gegendruck», sagt sie gegenüber Nau.ch.
Die Aufhebung der Massnahmen von der Impfquote abhängig zu machen, könne die Spaltung der Gesellschaft weiter vertiefen. «Denn dadurch werden diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, für die Massnahmen verantwortlich gemacht», so Baumann-Hölzle.
Die Ethik-Expertin verweist zudem auf eine kürzlich publizierte, brisante Studie der Harvard Universität.
Diese besagt, dass es im Vergleich von 68 Ländern keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Prozentsatz der vollständig geimpften Bevölkerung und neuen Covid-Ansteckungen gebe. Diese neuen Erkenntnisse müssten nun genau geprüft und dann die Strategien darauf abgestimmt werden.