Coronavirus: Virologen toben nach Gastro-Lockerung
Alain Berset sprach bei der Verkündung der Öffnungsschritte von einem «vertretbaren Risiko». Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widersprechen ihm.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat hat für nächsten Montag einen grösseren Öffnungsschritt beschlossen.
- Bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kommt der Entscheid gar nicht gut an.
- Die renommierte Virologin Isabelle Eckerle etwa, befürchtet «unnötig Kranke und Tote».
Also doch! Ab nächsten Montag wagt die Schweiz einen grösseren Öffnungsschritt. Die Terrassen von Gastro-Betrieben, Kinos, Theater und auch Fitnesscenter sollen wieder – mit strikten Regeln – öffnen dürfen.
Das gab der Bundesrat bei der gestrigen Pressekonferenz in Bern bekannt. Bei Wirtschaftskreisen und Politik sorgte der Entscheid für ein leichtes Aufatmen – aber auch Kritik.
Gesundheitsminister Alain Berset machte an der PK kein Geheimnis daraus, dass die Lockerungen auch der Psyche der Bevölkerung guttun sollen. «Viele können nach 14 Monaten Pandemie fast nicht mehr», sagte der SP-Bundesrat offen.
Er hielt zudem fest, dass man mit den Öffnungsschritt zwar ein «Risiko» eingehe, dieses sei aber aufgrund der nur langsam steigenden Fallzahlen «vertretbar».
WissenschaftlerInnen kritisieren Bundesrat
Etwas anders äussern sich bekannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den Schritten. Allen voran die renommierte Virologin Isabella Eckerle, eine der wichtigsten Stimmen in der Corona-Pandemie.
Die Leiterin des Zentrum für Viruserkrankungen am Universitätsspital Genf zeigt sich auf Twitter entsetzt: «Die heute beschlossenen Lockerungen bei steigenden Fallzahlen sind nicht nachzuvollziehen und werden unnötig Kranke und Tote zur Folge haben.» Und sie ist sich sicher: «In dieser dritten Welle trifft es die Jungen.»
Der Stressforscher Dominique de Quervain, Professor an der Uni Basel, pflichtet Eckerle bei: «Ich halte die vom Bundesrat beschlossenen Lockerungsschritte für einen Fehler.»
Er mahnt, dass die Folgen unter anderem «verfrühter Optimismus und damit unvorsichtiges Handeln» sein werden. «Schon bald wird man einen umso höheren Preis dafür bezahlen müssen – auch psychischer Natur.»
Auch Christian Althaus findet harsche Worte. Auf Twitter schreibt er: «Schwer nachzuvollziehen, wie man sich so kurz vor dem Ziel noch ins eigene Knie schiessen kann.» Er verlinkt dazu ein Interview mit dem «Tamedia-Zeitungen».
Der Berner Epidemiologe zeigt sich darin «sehr überrascht» von dem Entscheid. Althaus warnt, dass die Schweiz ein grosses Risiko eingehe, da die Immunität in der Bevölkerung noch viel zu gering sei für solche Schritte.