Darum sind Natur-Katastrophen so schwer vorhersehbar
Nach den heftigen Unwettern im Bünder Südtal Misox stellt sich die Frage, warum man solche Naturkatastrophen nicht besser vorhersehen kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Heftige Unwetter richteten letztes Wochenende im Misox GR grosse Zerstörung an.
- Wo genau Gewitter auftreten, ist laut Meteorologen schwierig vorherzusagen.
- Der Kanton prüft eine Anpassung der Sicherheitsvorkehrungen.
- Auch SRF-Wetterfrosch Bucheli erklärt, wie schwierig Prognosen derzeit sind.
Am vergangenen Wochenende zog ein Unwetter mit heftigen Regenfällen über das Bündner Südtal Misox. In der Gemeinde Lostallo GR kam es zu einem heftigen Erdrutsch. Die Gerölllawine riss mehrere Häuser, sowie einen Teil der Autobahn A13 mit.
Eine Frau konnte lebend aus den Trümmern geborgen werden – ein Mann dagegen wurde tot geborgen. Nach zwei vermissten Personen wird immer noch gesucht.
Das Unwetter hat die Bevölkerung von Lostallo völlig überrascht. Dies sagte auch Campingplatzwart Hans Müller zu Nau.ch
Viele Dinge, die in der Zukunft liegen, können wir ziemlich genau vorhersehen. Warum aber ist es bei Naturkatastrophen so schwierig?
Meteorologen stossen bei Prognosen an physikalische Grenzen
«Wir machen, was wir können», sagt Meteorologin Regula Keller von MeteoSchweiz auf Anfrage. «Beim Aufstellen der Wetterprognosen gibt es aber physikalische Grenzen. Eine genaue Vorhersage ist meist erst eine oder eineinhalb Stunden im Voraus möglich.»
Weiter im Voraus stützen sich die Meteorologinnen und Meteorologen immer auf Wahrscheinlichkeiten. «Wir können gut abschätzen, wie gross die Gefahr für ein bestimmtes Gebiet ist», so Keller.
«Wann, wo genau und mit welcher Stärke das Wetterereignis tatsächlich eintritt, können wir nicht sagen. Und selbst wenn die Wahrscheinlichkeit klein ist: Ein Restrisiko bleibt immer.»
Im Fall der Unwetter im Misox habe man gewusst, dass etwas kommt, erklärt die Meteorologin. Tatsächlich gab es für das Gebiet am Freitagabend eine Unwetterwarnung. Dass dieses dann so heftig ausfiel, hat dann wohl auch die Meteorologen überrascht.
Thomas Bucheli: «Wo Gewitter auftreten, ist auch etwas zufällig»
Kult-Meteorologe Thomas Bucheli erklärt es in der Sendung «Schweiz Aktuell» so: «Ich würde natürlich bestreiten, dass wir einfach keine Gewitter ansagen, wenn es welche gibt. Wir sehen auf unseren Unterlagen sehr genau, wenn eine gefährliche Gewitterlage entsteht.»
Im Laufe der Zeit könne man dann sogar regional eingrenzen, wo am ehesten Gefahren bestehen, so Bucheli. «Aber, ob es dann in dem Tal kommt, in dieser Gemeinde oder in dem Bach, ist letztendlich halt etwas zufällig.»
Gefahrengrundlagen werden bei allen Ereignissen überprüft und angepasst
Nach den jüngsten Unwettern werde bei den Behörden diskutiert, wie die Bevölkerung künftig besser vor Naturkatastrophen geschützt werden könne. Dies teilt das zuständige Amt für Wald und Naturgefahren des Kantons Graubünden gegenüber Nau.ch mit.
Amtsleiter und Kantonsförster Urban Maissen sagt: «Nach grossen Unwettern wie im Misox, aber auch nach kleineren Ereignissen werden die Gefahrengrundlagen überprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst.»
Auf der Basis dieser Gefahrengrundlagen wird das Risiko beurteilt. Im Falle von nicht tragbaren Risiken wird dann geprüft, wie diese Risiken verkleinert werden können.»
Dabei könne es sich um verschiedene planerische, organisatorische oder technische Massnahmen handeln, erklärt Maissen. Planerische Massnahmen können beispielsweise die Ausweitung von Gefahrenzonen sein. Bei den organisatorischen Massnahmen etwa die Installation von Warnanlagen. Als Beispiele für technische Massnahmen nennt der Förster Geschiebesammler oder Ablenkdämme.
In Hektik verfallen will man bei den Behörden aber nicht: «Aktuell werden die Ereignisse mit Hochdruck analysiert und die Gefahrengrundlagen überprüft. Erst dann können allfällige weitere Massnahmen geplant werden.»
Wird der Schutt jetzt für neue Hochwasserschutzmassnahmen verwendet?
Der Talboden des Misox ist nach dem schweren Erdrutsch übersäht mit Schutt, Geröll und riesigen Felsbrocken. Eigentlich, so scheint es, ideales Material, um damit allfällige neue Hochwasserschutzeinrichtungen zu bauen. Tatsächlich werde die Verwertung von Aushubmaterial vor Ort bei jedem Bauprojekt geprüft, sagt Urban Maissen. «Damit können Emissionen häufig signifikant reduziert und Kosten eingespart werden.»
Man wisse in diesem Fall aber noch nicht, ob sich das abgelagerte Material für eine Wiederverwertung direkt vor Ort eignet. «Dazu muss an Proben vorab geprüft werden, ob es bautechnisch den dannzumal erforderlichen Ansprüchen genügt.»