Das taugen die neuen Ideen zur Verkehrsberuhigung am Gotthard
Das notorische Stauproblem am Gotthard wird schlimmer und schlimmer. Von den vorgeschlagenen Massnahmen zur Entschärfung soll aber nur eine Maut sinnvoll sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Stau am Gotthard wächst und wächst und wird so immer mehr zum nationalen Politikum.
- Ein Verkehrsexperte hält weder ein Slotsystem noch vier Spuren für gute Lösungen.
- Eine Maut sei auf einer der letzten grossen Gratis-Alpentransversalen längst überfällig.
Am Gotthard staut sich auch dieses Jahr an Ostern, Auffahrt und wohl auch an Pfingsten wieder der Verkehr. Nach einem Corona-bedingten Rückgang zeigen neuste Zahlen von CH Media: Seit 2012 hat sich der Stau vor dem Tunnel verdreifacht.
Thomas Hug ist Verkehrsplaner und Experte für nachhaltige, inklusive Mobilität. Er erklärt die immer länger werdenden Blechlawinen vordergründig mit dem zunehmenden Freizeitverkehr. «Dies ist wohl auch auf zunehmenden Wohlstand und weitere Reisebedürfnisse zurückzuführen, weshalb wir die Spitzen besonders um die Ferientage spüren», erklärt er gegenüber Nau.ch.
Experte fordert Maut für Gotthard-Tunnel
Die Situation aus der Innerschweiz ist längst auch auf dem nationalen politischen Parkett angekommen. Verschiedene Politiker sind schon aktiv geworden. Vorgeschlagen wird beispielsweise ein Reservierungssystem mit Zeitslots für die Durchfahrt, eine Maut, alle vier Spuren zu öffnen oder eine eigene Spur für Einheimische.
Hug spricht sich dabei klar für eine Maut aus. «Der Gotthard ist eine der letzten grossen Alpentransversalen, die keine Maut aufweisen, dieser Vorschlag ist darum dringend nötig.»
Den Stau werde die Maut zwar kaum ganz verhindern, aber er würde reduziert und die Spitzen gebrochen. «Noch besser wäre ein dynamisches System, das jeweils zu den Spitzen deutlich mehr kostet als 20 Franken – und den Rest vom Jahr tiefere Preise bietet.»
Dies erfordere allerdings flankierende Massnahmen bei der Bahn: Diese müsste zusätzliche Kapazitäten und attraktivere Verbindungen insbesondere aus Deutschland nach Süden anbieten können.
Vier Spuren durch den Tunnel ein «klassisches Eigengoal»
Die anderen Vorschläge hält Hug für wenig sinnvoll. «Das Slotsystem ist eine nette Idee, aber zumindest heute wohl nicht zielführend.» In der Ferienzeit seien Staus oft unberechenbar und das Einhalten eines Zeitfensters darum schwierig. «So würden wohl riesige Warteflächen notwendig, die dann den Rest vom Jahr grösstenteils ungenutzt blieben.»
Alle vier Spuren für den Verkehr zu öffnen, nennt der Verkehrsplaner «ein klassisches Eigengoal». «Einerseits wäre der Alpenschutzartikel ad absurdum geführt, andererseits wird die Schweiz so klar zum attraktivsten Durchfahrtsland in den Süden.»
So würde einfach zusätzlicher Autoverkehr angezogen, womit der Stau wieder gleich lang wie vorher sei. «Obwohl dies der offensichtlichste Ansatz ist, wäre er auch derjenige mit den grössten negativen Auswirkungen auf die ganze Schweiz», warnt Hug. Er befürchtet dabei neue Engpässe in den Zubringerkantonen Schwyz oder Luzern, wo dann wiederum der lokale Verkehr leide.
Neben der Maut würde Hug beim Stauproblem eher auf der Schiene als auf der Strasse ansetzen: «Die Verkehrssituation am Gotthard sollte mehr als Gesamtsystem betrachtet werden. Wie können Leute dazu gebracht werden, auf Zug-Angebote umzusteigen? Das Potenzial auf der Nord-Süd-Achse der Bahn ist noch nicht ausgeschöpft», ist er sicher.