Der nächste Prämienhammer ist im Anmarsch – schon in diesem Jahr?
Experten rechnen mit einem heftigen Anstieg der Krankenkassenprämien – ausser Alain Berset greift in die Trickkiste, um sein Vermächtnis aufzupolieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Experten rechnen im September mit einem regelrechten Prämienhammer bei den Krankenkassen.
- Bundesrat Alain Berset könnte das Problem aufschieben – und sein Vermächtnis aufpolieren.
- Santésuisse-Direktorin Verena Nold befürchtet, dass die Prämien zu tief angesetzt werden.
Im September wird Bundespräsident Alain Berset die neuen Krankenkassenprämien verkünden. Zum Ende seiner politischen Laufbahn wird der SP-Magistrat keine guten Nachrichten haben: Experten rechnen mit einem noch grösseren Anstieg als letztes Jahr – damals stiegen die Prämien um durchschnittlich 6,6 Prozent.
Wie die «NZZ» berichtet, könnte der Sozialdemokrat allerdings zu einem Trick greifen, um sein gesundheitspolitisches Vermächtnis vor seinem Abgang auszubessern: «Wir befürchten, dass die Prämien aus politischen Gründen wieder zu tief angesetzt werden», erklärt Santésuisse-Direktorin Verena Nold.
Geldreserven der Krankenkassen schrumpfen
Die Branchenvertreterin begründet ihren Verdacht mit einem Brief, den das Bundesamt für Gesundheit (BAG) jüngst an die Krankenkassen adressierte. Darin mache das BAG den Kassen klar, sie hätten zu hohe Prämien für das Jahr 2024 eingegeben.
Bereits 2022 und 2023 waren die Krankenkassenprämien zu tief angesetzt worden. Die Prämien decken die Kosten der Grundversicherung nicht, weshalb die Kassen die Löcher aus ihren Geldreserven stopfen mussten. Entsprechend stark sind dieselben mittlerweile geschmolzen: Von 10,6 Milliarden per Ende 2021 auf 7,2 Milliarden per Ende 2022 – 2023 sind sie gar noch weiter geschrumpft.
Damit die Prämien 2024 wieder kostendeckend werden, müssten sie um happige acht bis neun Prozent ansteigen, erklärt Nold: «Wenn das nicht passiert, sind die Reserven bald aufgebraucht – und der grosse Hammer kommt einfach 2025.»
Kosten steigen in fast allen Bereichen
Nold ist überzeugt, Anlass zum Pessimismus gebe es genug. «Santésuisse» hat eine detaillierte Analyse der Entwicklung der Gesundheitskosten im ersten Halbjahr 2023 durchgeführt. In fast allen relevanten Bereichen steigen sie stark: Im Schnitt 6,4 Prozent pro Kopf, was Mehrkosten von rund 1,44 Milliarden entspricht.
Die Entwicklung der Gesundheitskosten bereitet der Branchenvertreterin Sorgen: Die Kosten würden aus dem Ruder laufen und die wegen der Inflation ohnehin geforderten Haushalte noch weiter belasten. «Doch niemand scheint gewillt, etwas gegen diese Entwicklung zu tun. Ich kann das nicht begreifen», erklärt Nold gegenüber der «NZZ».
Bundesrat und Politik könnten eingreifen
Demnach könne der Bundesrat eine ganze Reihe von Massnahmen sofort und ohne Rücksicht auf das Parlament umsetzen: Dabei bezieht sich Nold primär auf eine weitere Senkung der Labortarife und der Medikamentenpreis. In einem weiteren Schritt fordert die Krankenkassenvertreterin überdies eine «Fitnesskur» für die Spitäler und eine Kürzung des Leistungskatalogs der Grundversicherung.
Ob Alain Berset sein Vermächtnis mit dem Griff in die Trickkiste aufpolieren wird, ist unklar. Gerade mit Blick auf die Wahlen 2023 scheint der Schritt jedoch nicht unwahrscheinlich. Wer auch immer den Sozialdemokraten im Innendepartement beerbt, wird alle Hände voll zu tun haben.