Dorfläden mit Gesichts-Scanner in Kritik: «Integritätsverletzung»
In Cerniat FR müssen Kunden vor dem Betreten des Dorfladens ihr Gesicht scannen lassen. Eine Ethikerin und ein Anwalt ordnen gegenüber Nau.ch ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit digitalen Mitteln will ein Freiburger Dorfladen sein Überleben sichern.
- Der Zutritt zum Laden erfolgt via Gesichtserkennung.
- Das kann problematisch sein, sagt Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle.
Neues Konzept im Kanton Freiburg: Im Dorfladen in Cerniat kommen Kunden nur noch per Gesichtserkennung rein. Ziel ist es, Kosten zu sparen. Die Idee soll in Zukunft eine Waffe gegen das Lädeli-Sterben sein.
Klar ist aber, der hybride und einzige Dorfladen in der 350-Einwohner-Gemeinde wirft auch ethische Fragen auf – unter anderem zum Thema Datenschutz.
Denn die Gesichtserkennung kann diesbezüglich problematisch sein. Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle erklärt auf Anfrage von Nau.ch, dass «die Gesichtserkennung als Zulassungsbedingung für existenzielle Grundgüter wie Brot eine Integritätsverletzung» darstellen kann.
Dies dann, «wenn ich keine Wahl habe und in diesem Dorfladen einkaufen muss».
In Cerniat selbst ist dies der einzige Lebensmittel-Laden. Der nächste befindet sich sechs Autominuten entfernt in Charmey.
Habe der Kunde aber die Wahl und sei informiert, gehe dieses Vorgehen in Ordnung: «Solange ich freiwillig Gesichtserkennung zulasse, ist dies unproblematisch», so Baumann-Hölzle. Sie präzisiert: «Solange auch der Datenschutz garantiert ist und ich weiss, was mit meinen Daten geschieht.»
Anwalt: Für Bevölkerung vor Ort überwiegen wohl die Vorteile
Rechtsanwalt und Datenschutz-Experte Martin Steiger verweist gegenüber Nau.ch auf den Nutzen einer solchen Gesichtserkennung.
Er sagt zunächst zwar: «Bei einem Dorfladen wäre es sympathisch, von Menschen bedient zu werden. Genauso wäre es sympathisch, dass keine Überwachung zum Schutz vor Diebstählen erfolgen müsste.»
Beides sei aber utopisch, so Steiger: «Wenn mit digitalen Mitteln ein Dorfladen erhalten werden kann, überwiegen für die Bevölkerung vor Ort vermutlich die Vorteile.»
Für ihn ist klar: «Letztlich entscheiden die Konsumentinnen und Konsumenten, ob sie einen solchen Dorfladen nutzen.» Damit sich die Kunden aber überhaupt entscheiden können, müssten sie angemessen informiert werden, betont er.