Freispruch

Frutigen-Prozess: Verteidiger zerpflückt die Anklage

Gabriela Battaglia
Gabriela Battaglia

Thun,

Ein Bauernhaus brannte 2018 in Frutigen BE ab. In den Trümmern lag die Leiche von Manuela D.* (†41). Der Verteidiger ihres Freundes fordert einen Freispruch.

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Manuela D. (†41) soll von ihrem Freund getötet worden sein. - Jungfrauzeitung

Das Wichtigste in Kürze

  • 2018 wurde die Leiche von Manuela D. (†41) nach einem Brand in Frutigen BE gefunden.
  • Ihr Freund steht wegen vorsätzlicher Tötung und Brandstiftung vor Gericht in Thun.
  • Die Anklage fordert 17 Jahre Knast, die Verteidigung einen Freispruch.

Am 15. Februar 2018 brannte ein Bauernhaus in Frutigen BE vollständig ab. Nach dem Brand werden die verkohlten Überreste von Bewohnerin Manuela D. (†41) gefunden.

Drei Tage später wird ihr Freund in Frankreich verhaftet: Es ist Christian F.* (57), ein Unternehmer aus Frutigen.

Seit Montag steht Christian F. vor Gericht in Thun BE. Er soll wegen vorsätzlicher Tötung und Brandstiftung 17 Jahre ins Gefängnis.

Zwar gebe es keine direkten Beweise, doch sprächen eine Reihe von Indizien für diesen Tathergang, sagte Staatsanwältin Barbara Wüthrich am Donnerstag in ihrem Plädoyer.

Panische Angst vor Kesb

Verteidiger Gerrit Straub kontert heute in seinem Plädoyer sämtliche Argumente der Staatsanwaltschaft. «Weshalb fuhr er überhaupt nach Frankreich?», fragt Straub, der auch gleich eine Antwort liefert: «Er hatte panische Angst vor der Kesb. Christian L. hatte grosse Alkoholprobleme.»

Er habe bereits einen fürsorgerischen Freiheitsentzug hinter sich gehabt und habe auch einen Entzug machen müssen. Christian L. habe dann Auflagen bekommen. «Er hatte Angst, wieder in Fänge der Kesb zu kommen. Er fürchtete sich vor einem erneuten Freiheitsentzug

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Nach dem Brand in einem Bauernhaus in Frutigen BE ist ein lebloser Körper aufgefunden worden. - Keystone

«Als er das Feuer sah, war sein erster Gedanke: Jetzt hat sie sich etwas angetan», sagt der Verteidiger. Er habe sich verstecken wollen bis er wieder in einem Zustand war, um mit Behörden in Kontakt zu treten. Es sei keine geplante Flucht nach Frankreich gewesen.

Auch die Ex-Frau von Christian L. sagte, er habe einfach Angst vor der Kesb gehabt. Es lief damals zudem noch ein Verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Drogen, Medikamente und Alkohol

Manuela D. habe seit Jahren Drogen konsumiert, sagt der Verteidiger. Sie habe Angst gehabt, ihre Wohnung zu verlieren.

Ihr Arbeitgeber, die Gemeinde Frutigen, habe sie im Februar 2018 auch verwarnt, weil sie bei der Arbeit nicht mehr zuverlässig gewesen sei.

Tod wegen Drogen?

Für den Verteidiger ist klar, dass Manuela D. an einem Gemisch aus Drogen, Alkohol und Medikamenten starb. «Sie konsumierte vor ihrem Tod das Zweieinhalbfache an Drogen.» Auch Christian L. konsumierte Drogen.

Wieso hat er Manuela D. beim Ausbruch des Feuers nicht geholfen? Für den Verteidiger ist die Antwort simpel: «Er war in seinem Haus, er konnte ihr gar nicht helfen.»

Drogen
Drogen. (Symbolbild) - Staatsanwaltschaft Luzern

Der Verteidiger zeigt das Aktivierungsprofil des Autos von Christian L. am Tag des Brandes. Bei Ausbruch des Feuers sei er nicht vor Ort gewesen. «Sonst hätte sicher jemand sein Auto abfahren gesehen.»

Unfall oder Suizid?

«Die Staatsanwaltschaft konnte keinen einzigen Beweis vorlegen, dass es eine Tötung war», kritisiert Straub. «Es könnte auch ein Unfall oder ein Suizid gewesen sein. Manuela D. war total verladen mit Drogen

Auch die Gutachten lieferten keinen Beleg für ein Tötungsdelikt. Die Todesursache sei weiterhin unklar. «Die Gutachter können auch nicht sagen, wie die von der Staatsanwaltschaft vermutete schwere Kopfverletzung zustande kam.»

Die Gutachter hatten sich im Prozess widersprochen. «Die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich eine Tötung vorliegt, ist sicher unter zehn Prozent», sagt der Verteidiger.

In der Luftröhre des Opfers war Blut gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Blutung von einem Schlag auf den Kopf oder einen Schuss in den Kopf stammt. «Kokainkonsum kann Nasenbluten verursachen», so der Verteidiger.

In der Brandruine seien auch keine Patronenhülse oder Schmauchspuren gefunden worden. Im ganzen Verfahren sei Entlastungsbeweisen nicht nachgegangen worden.

Mangelhaftes Brandgutachten

Der Verteidiger kritisiert auch das Brandgutachten. Dieses sei mangelhaft. Die Theorie etwa, dass im Schlafzimmer Brandbeschleuniger war, sei falsch.

Der Verteidiger zeigt dazu Fotos der Brandruine. Es fehle jeglicher Nachweis, dass jemand beim Feuer nachgeholfen habe. Wahrscheinlich, habe Manuela D. einen Joint geraucht und sich dann aufs Bett gelegt.

Joint
Eine Person raucht einen Joint. (Symbolbild) - dpa

Der Verteidiger verlangt neben einem Freispruch auch eine angemessene Entschädigung für den Verlust der Firma von Christian L. «Der Wiederaufbau braucht sicher sechs bis acht Jahre», sagt Straub. Eine Summe nennte der Verteidiger nicht.

Christian F. hört dem Plädoyer seines Verteidigers im Gerichtssaal aufmerksam zu. Er wies stets jegliche Schuld von sich. «Ich sitze seit 960 Tagen unschuldig in U-Haft», sagte er auch am Prozess in Thun. Er kritisierte die lange Dauer des Verfahrens. «Meine Firma wurde wegen den Anschuldigungen ruiniert.»

In seinem Schlusswort im Prozess sagt Christian L.: «Das Schlimmste ist, dass Manuela am 15. Februar 2018 verstorben ist. Sie hinterlässt eine grosse Lücke. Manuela war wirklich in einer Lebenskrise.»

Das Urteil soll in einer Woche verkündet werden.

*Namen geändert

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