Gender-Video von Migros: Lidl spricht sogar nur von «Kundinnen»
Weil die Migros gendert, hat es gehässige Kommentare gehagelt. Die Konkurrenz von Lidl klammert die männliche Form sogar ganz aus. Zumindest versuchsweise.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit einem Erklärvideo zu Gendern hat sich die Migros in die Nesseln gesetzt.
- Einige Kundinnen und Kunden drohten, die Migros wegen der Gendersprache zu boykottieren.
- Doch Migros-Konkurrenten gehen zum Teil sogar noch weiter.
Mit diesem Video hat die Migros einen Teil ihrer Kundschaft vor den Kopf gestossen. Auf X erklärte das Unternehmen die Vorzüge geschlechtergerechter Sprache und erntete reihenweise Kritik.
Auch ein Experte gab den Kritikerinnen und Kritiker recht. Markensoziologe und Konsumphilosoph Oliver Errichiello sagte zu Nau.ch: «Migros ist ein beeindruckendes Unternehmen in Hinblick auf seine Leistungen. Aber ‹gesellschaftlicher Wandel› gehört nicht zur DNA der Marke.»
Einige drohten wegen des Videos zum Boykott der Migros auf: «Ich gehe jetzt lieber in den Coop einkaufen», lautete einer der Kommentare.
Migros steht mit Gendern nicht alleine da
Eine Nau.ch-Umfrage zeigt nun aber: Auch bei der Migros-Konkurrenz kommt man nur schwer an Gendersprache vorbei. Das generische Maskulinum hat fast überall ausgedient – und einige gehen noch weiter!
Allen voran Lidl. «Einfach mal versuchsweise hatten wir einen gesamten Nachhaltigkeitsbericht in der weiblichen Form verfasst», sagt Sprecherin Vanessa Meireles. Gemeint ist damit der Bericht für die Jahre 2019 und 2020. In diesem ist ausschliesslich von «Kundinnen», «Lieferantinnen» oder «Partnerinnen» die Rede.
Warum, wird mit einer Fussnote klargemacht. An dieser Stelle würde Lidl normalerweise darauf hinweisen, dass man aus Lesbarkeitsgründen nur die männliche Form verwende, heisst es. «In diesem Jahr – in dem die Schweiz auch gerade ‹50 Jahre Frauenstimmrecht› feiert – machen wir das absichtlich nicht.»
Die weibliche Form war aber eine Ausnahme. Im nächsten Nachhaltigkeitsbericht für die Jahre 2021 und 2022 schwenkte der deutsche Discounter-Ableger auf die Doppelform zurück.
Inzwischen gelte bei Lidl: Wenn möglich und sinnvoll, würden neutrale Begriffe verwendet. «Gleichzeitig sehen wir, dass dies ein komplexes Thema ist», so Sprecherin Vanessa Meireles. Man beobachte die Entwicklungen in diesem Bereich «mit grossem Interesse».
Coop setzt auf genderneutrale Begriffe oder Doppelpunkt
Coop-Sprecher Caspar Frey sagt zu Nau.ch, dass bei Coop «alle Menschen» willkommen seien und dies in der internen und externen Kommunikation zum Ausdruck kommen soll. «Wir beziehen neben dem weiblichen und männlichen Geschlecht auch andere Geschlechtsidentitäten ein.»
Deshalb setze Coop entweder auf eine genderneutrale Formulierung oder den Doppelpunkt. Heisst: Entweder «Kundschaft» oder «Kund:innen». Auf das generische Maskulinum, bei dem die männliche Form alle mitmeinen soll, verzichte Coop.
Frey erklärt: «Wir streben eine zielgruppengerechte Sprachregelung an, die kanalspezifisch den heutigen Anforderungen an eine inkludierende Sprache entspricht.»
Coop will alle Geschlechtsidentitäten mit einbeziehen
Dabei sei es auch wichtig, dass die Texte verständlich und gut lesbar seien. «Es ist deshalb gestattet, innerhalb eines Textes abwechslungsreich zu gendern.» Im Zentrum stehe die Inklusion aller Geschlechtsidentitäten und die Vermeidung einer Exklusion, so Coop-Sprecher Frey.
Die Migros-Tochter Denner und Aldi Suisse setzen beide sowohl auf geschlechtsneutrale Bezeichnungen oder auf die weiblich-männliche Doppelform.
Ebenso die Dorflädeli-Kette Volg. Kommunikationsverantwortliche Tamara Scheibli sagt: «Wenn wir in seltenen Fällen nur die männliche Form verwenden, dann der sprachlichen Vereinfachung wegen oder aufgrund von grafischen Gegebenheiten.»