Hausfrauen droht wegen Witwenrenten-Kürzung Armut
Frauen sollen neu nur bis zum 25. Geburtstag ihres jüngsten Kindes eine Witwenrente erhalten – so wie die Männer. Langjährigen Hausfrauen droht damit die Armut.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat hat beschlossen, dass die Witwenrente der Frauen nach unten angepasst wird.
- Neu erhalten Frauen wie Männer nur eine Rente, bis ihr jüngstes Kind 25 Jahre alt ist.
- Dies bedeutet, dass langjährige Hausfrauen nach dem Tod ihres Partners einen Job brauchen.
- Der Wiedereinstieg nach langer Erwerbspause erweist sich allerdings häufig als schwierig.
Die Witwenrente, wie sie bisher organisiert war, ist überholt, sagt der Bundesrat. Um sie mehr den heutigen Familienbildern anzupassen, soll sie reformiert werden: Neu sollen Witwen nur bis zum 25. Geburtstag ihres jüngsten Kindes eine Rente erhalten – so wie bei den Männern.
Doch es gibt immer noch viele Familien, in denen die Frau ausschliesslich der Hausarbeit nachgeht. Für diese Frauen dürfte es keine einfache Aufgabe werden, nach jahrelanger Erwerbslosigkeit wieder einen Job zu finden.
Jahrelange Erwerbspause macht Job-Wiedereinstieg schwierig
«Eine langjährige Erwerbspause erschwert den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erheblich», bestätigt Fabian Maienfisch vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Oft würden nach langer Erwerbslosigkeit aktuelle berufliche Kompetenzen verloren gehen. Heisst: Man wird von Weiterentwicklungen des Berufs abgehängt.
«Auch sind Kenntnisse in der aktuell geforderten Technik oder spezifische Branchenanforderungen möglicherweise nicht mehr auf dem neuesten Stand.»
Ausserdem sei der Zugang zu beruflichen Netzwerken für Hausfrauen begrenzt. Kontakte seien jedoch für eine erfolgreiche Stellensuche wichtig.
«Insbesondere für Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Hausarbeit unterbrechen, entstehen dadurch strukturelle Nachteile», sagt Maienfisch.
Ältere Menschen haben es sowieso schwierig
Die Daten des Bundesamts für Statistik zeigen: Die Erwerbslosenquote von 55- bis 64-Jährigen ist nicht höher als diejenige von jüngeren Generationen. Allerdings ist der Anteil an Langzeit-Erwerbslosen deutlich höher.
Das liege daran, dass ältere Menschen seltener entlassen würden und meist stabilere Arbeitsverhältnisse haben, so Maienfisch. «Wenn ältere Personen jedoch arbeitslos werden, ist ihre Wiedereingliederung oft schwieriger und dauert länger.»
Dafür gebe es verschiedene Gründe: Meist lägen die Bildungsabschlüsse älterer Personen länger zurück und firmenspezifische Spezialisierungen würden in anderen Unternehmen nicht benötigt. Ausserdem habe sich auch das Stellenangebot im Vergleich zu früher verändert.
«Haben Existenzängste»
SP-Nationalrätin Barbara Gysi berichtet Nau.ch, sie habe zahlreiche Zuschriften von Betroffenen erhalten. Diese würden sich grosse Sorgen machen. «Viele haben Existenzängste», sagt Gysi.
Sie selbst spricht sich klar gegen die Reform aus: Die Gefahr sei gross, «dass mit diesen Abbauvorhaben vermehrt Witwen mit Kindern in die Armut abrutschen».
Wer kinderlos sei oder keine Kinder zu unterstützen habe, der habe auch eine andere Ausgabenstruktur, sagt dagegen FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt.
Er findet: «Es ist für diese Personen zumutbar, einer Arbeit nachzugehen.»
Auch Silberschmidt räumt aber ein: «Nach einer längeren Zeit ohne Arbeit ist es schwieriger, wieder eine Stelle zu finden.» Es gebe jedoch viele offene Stellen in der Schweiz, und auch nach längerer Erwerbslosigkeit sei der Wiedereinstieg möglich.
«Ich kenne viele Unternehmen, die gerne auch Personen anstellen, die eine längere Zeit nicht mehr gearbeitet haben.»
Defizite der Hausfrauen «stehen im Vordergrund»
Tobias Roder, Berufs- und Laufbahnberater im BIZ Thun, bestätigt diese Ansicht nur teilweise: Irgendein Wiedereinstieg sei vermutlich fast immer möglich. Allerdings handle es sich dabei häufig um Tätigkeiten mit geringen Anforderungen.
«Das ist in der Regel nicht das, was sich die betroffenen Menschen wünschen.» Schliesslich haben diese mehrere Jahre anspruchsvolle Familien- und Erziehungsarbeit ohne Lohn und mit wenig gesellschaftlicher Anerkennung übernommen.
Durch die jahrelange Tätigkeit als Hausfrau erworbene Qualifikationen würden auf dem Arbeitsmarkt jedoch nicht anerkannt. «Die Defizite aus der langen Erwerbslosigkeit stehen im Vordergrund», so Roder.
Mütter mit kleinen Kindern arbeiten öfter
Maienfisch vom Seco stellt fest: «In der Schweiz ist in den letzten 20 Jahren der Anteil erwerbstätiger Frauen über 55 Jahren stark gestiegen.» Trotzdem zeige sich: Männer im höheren Alter sind generell stärker im Arbeitsmarkt verankert.
So liegt im Alter zwischen 55 und 64 Jahren die Erwerbsquote der Frauen bei 71,6 Prozent. Von den Männern arbeiten 83,8 Prozent.
Interessant: Mütter mit jüngstem Kind unter 25 Jahren weisen eine Erwerbsquote von 79,3 Prozent auf. Von den Frauen, die keine Kinder unter 25 haben und mit einem Partner zusammenleben, arbeiten jedoch nur 69,7 Prozent.
Sie wären somit von der Änderung der Witwenrente wohl stärker betroffen.