Klimastreik: Die Chronologie der Umweltbewegung
Die Klimastreiks: Ausgelöst von der Schülerin Greta Thunberg, bringt die Bewegung weltweit Schüler auf die Strasse. Gegen den Klimawandel. Eine Einordnung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Klimabewegung bekommt immer mehr Zulauf.
- Die Streikenden wurden von Greta Thunberg inspiriert.
- Frühere Klimabewegungen begannen ab den späten 1960er Jahren.
- Die Bewegung ist in der Schweiz dezentral organisiert.
Der Klimastreik ist eine internationale Bewegung von Jugendlichen gegen den Klimawandel. Auch in der Schweiz schwänzen Schülerinnen und Schüler den Unterricht und gehen mit Transparenten auf die Strasse.
Die Bewegung gewann ab Dezember 2018 Zulauf, nachdem die schwedische Schülerin Greta Thunberg eine vielbeachteten Rede hielt. In der Schweiz wurde Mitte Dezember 2018 das erste Mal gestreikt.
Die Bewegung wird von Jugendlichen organisiert und hat sich inzwischen weltweit verbreitet. Es werden Massnahmen für den Klimaschutz gefordert.
Vorgeschichte: AKW, Waldsterben und Fukushima
Die ersten Umweltbewegungen der Schweiz sind in den späten 60er-Jahren entstanden. Entwickelt hat sich die Umweltbewegung als Widerstand gegen den Bau von Atomkraftwerken.
Bald schon wurden auch andere Umweltbedrohungen zum Thema. Etwa das Waldsterben, der Brand und Chemieunfall von Schweizerhalle, der Atom-Unfall von Tschernobyl. Die Abnahme der Ozonschicht wurde zum Thema.
Später bewegte etwa die Plastikflut in den Weltmeeren oder die Atomkatastrophe von Fukushima.
Weltklimarat der Uno sitzt in der Schweiz
Die Teilnehmer des aktuellen Klimastreiks setzen sich vor allem gegen den Klimawandel ein. Dabei geht es um die menschgemachte Erwärmung der Erde, die durch den Ausstoss von Treibhausgasen ausgelöst wird.
Vor dem Klimawandel warnten die ersten Wissenschaftler bereits in den 1960er Jahren. 1988 gründete die UNO das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC in Genf, auch als Weltklimarat bekannt.
In den Anfängen wurde der Klimawandel von Teilen der Wissenschaft noch bezweifelt. Heute ist sich die Wissenschaft weitestgehend einig, dass der Klimawandel von den Menschen verursacht wird.
Durchbruch an Klimakonferenz in Paris
Das erste verbindliche internationale Abkommen zur Bekämpfung des Klimawandels ist das Kyoto-Protokoll, das 1997 an der dritten Klimakonferenz unterzeichnet wurde.
Als weiterer Durchbruch gilt das Folgeabkommen: Das Klimaabkommen von Paris, das 2015 verabschiedet wurde. Darin beschlossen die Uno-Mitgliedstaaten, dass die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius beschränkt werden soll.
Ausserdem beschloss die internationale Gemeinschaft, dass ab 2050 unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausgestossen werden dürfen.
Greta Thunberg hält Rede und begründet Jugendbewegung
Die jährliche Klimakonferenz fand im Dezember 2018 in Katowice in Polen statt. Die Mitgliedstaaten diskutierten die Umsetzung der Ziele vom Pariser Klimaabkommen und beschlossen die Erwärmung möglichst auf 1.5 Grad Celsius zu reduzieren.
Für Schlagzeilen sorgte in Katowice vor allem der Auftritt der 15-jährigen Schülerin Greta Thunberg. Die junge Schwedin hielt am 3. Dezember 2018 eine emotionale Rede und appellierte an die Jugendlichen auf der Welt.
«Die Regierenden haben uns in der Vergangenheit ignoriert und werden es weiter tun», sagte Thunberg in ihrer Rede. Sie selber geht jeweils freitags nicht mehr zur Schule. Sie demonstriert stattdessen vor dem Schwedischen Parlament.
Besuch von Thunberg in Davos
Die Rede der jungen Schwedin verbreitete sich rasend schnell auf den sozialen Medien. Thunberg erhielt Unterstützung von Erwachsenen und Jugendlichen. Unter dem Begriff #FridaysforFuture formierte sich ein Trend, bei dem das freitägliche Schuleschwänzen unterstützt wurde.
Im Januar 2019 verkündet Thunberg, dass sie ans World Economic Forum WEF in Davos kommen wird. Und das mit dem Zug, um die Umwelt nicht mit dem Flug zu belasten. Die Reise nach Davos und zurück dauert ganze 65 Stunden.
On January 23-25 I look forward to joining the World Economic Forum in Davos, Switzerland.
— Greta Thunberg (@GretaThunberg) January 10, 2019
Especially the 65 hour train ride there and back 😁 #WEF19 #IStayOnTheGround
#ClimateStrike #EveryBreathMatters #FridaysforFuture #schoolstrike4climate
In Davos wurde Thunberg bereits stark medial begleitet. Sie traf auf bekannte Persönlichkeiten der Weltwirtschaft wie etwa Christine Lagarde, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds IWF.
Thunberg hielt wieder eine feurige Rede. Bekannt wurde ihre Aussage «Ich will, dass ihr in Panik geratet» und «unser Haus brennt».
So entstand die Streikbewegung
Die aktuelle Streikbewegung hat wohl in Australien begonnen. Dort streikten am 30. November 2018 tausende Schülerinnen und Schüler gegen den Klimawandel. Als Vorbild gilt Thunberg, die nur Tage danach in Polen weltbekannt werden sollte.
Nach Thunbergs erstem Auftritt in Polen gab es für viele Jugendliche weltweit kein Halten mehr. Es kommt in verschiedenen Ländern zu Demonstrationen und Schulstreiks gegen den Klimawandel. So auch in der Schweiz.
Chronologie der Demos in der Schweiz
Am 14. Dezember 2018, nur eine Woche nach Thunbergs Rede an der Klimakonferenz gingen in Zürich die ersten Schüler auf die Strasse statt zur Schule. Es sollen rund 500 Schülerinnen und Schüler daran teilgenommen haben.
Die Schülerinnen und Schüler fordern von der Politik Handlungen um den Klimawandel zu stoppen. Auf den sozialen Medien künden die Streikenden weitere Aktionen an: «Das in Zürich war heute der Anfang von etwas Grossem.» Sie sollten damit Recht behalten.
Bereits eine Woche danach, am 21. Dezember 2018, gab es bereits Streiks und Demonstrationen in mehreren Schweizer Städten. In Basel, Bern, St. Gallen und Zürich gingen insgesamt tausende Schüler auf die Strasse.
Immer mehr Menschen demonstrieren
Die Jugendbewegung gewinnt im Jahr 2019 deutlich an Masse: Die bisher grösste Demonstration ist jene vom 2. Februar. Gemäss Schätzungen der Organisatoren sind bis zu 65'000 Personen in verschiedenen Schweizer Städten auf die Strasse gegangen.
Nun sind es nicht mehr nur Schülerinnnen und Schüler, auch viele Erwachsene mischen sich unter die Demonstranten. Die Kundgebungen verlaufen friedlich.
Auch an den folgenden Wochenenden kommt es zu kleineren Demonstationen und an Freitagen jeweils zu Streiks. Die Bewegung erreicht auch Schaffhausen, selbst während den Schulferien treffen sich jugendliche und Erwachsene zu Kundgebungen.
Forderungen nach Klimanotstand
An den Demonstrationen und Streiks sowie auf Sozialen Medien sind viele verschiedene Forderungen der Jugendlichen zu lesen. Darunter allgemeine Aussagen wie «Kinder wollen Klimagerechtigkeit» oder «Save the Future».
Darunter sind aber auch sehr konkrete Forderungen. «Nachtzüge statt Flugzeuge» oder «Keine fossilen Treibstoffe» ist auf den Schildern und Transparenten zu lesen.
Am 30. Dezember versammeln sich rund 120 Jugendliche in Bern. Sie diskutierten die verschiedenen Forderungen, welche unter den streikenden Schülern kursierten und bündelten diese.
Die Bewegung fordert, dass die Schweiz den Klimanotstand ausruft. Ausserdem solle die Schweiz bis im Jahr 2030 im Inland keine Treibhausgase mehr ausstossen. Ein ambitioniertes Ziel: Das Klimaabkommen von Paris will dieses weltweit erst bis 2050 erreichen.
Forderungen gelangen in die Politik
Die Forderungen der Schülerbewegung werden auch von der nationalen Politik gehört. Nationalrätin Samira Marti (SP) etwa, reichte die Forderung den Klimanotstand auszurufen als Motion im Parlament ein.
Erst Ende 2018 hatte der Nationalrat das CO2-Gesetz abgelehnt, welches unter anderem den Treibhausgas-Ausstoss der Schweiz reduzieren wollte.
Parallel zu den Klimastreiks startete die Gletscher-Initiative. Mit einer Volksinitiative sollen der Klimaschutz und die Absenkung der CO2-Emissionen bis 2050 auf Null in der Verfassung Platz finden. Das Anliegen kann sogar einzelne bürgerliche Politiker, wie FDP-Ständerat Ruedi Noser gewinnen.
Klimastreik hat keine Chefs
Die Klimabewegung hat mit Greta Thunberg eine starke Identifikationsfigur. In der Schweiz gibt es jedoch keine Person, die als führende Person in Erscheinung tritt. Das ist von der Bewegung auch so gewollt.
«Wir möchten auch keine einzelnen Personen pushen», sagt Jonas Stadler, der den Facebookauftritt der Klimabewegung verwaltet.
Die Bewegung sei basisdemokratisch organisiert, erklärt Marie-Claire Graf, eine 22-jährige ETH-Studentin. Das heisst, alle Beteiligten müssen einer Forderung zustimmen.
Gerade weil so viele Jugendliche beteiligt sind, helfe es, dass niemand das Sagen habe, erklärt die 21-jährige Zürcherin Nadia Kuhn. «Ich habe das Gefühl, das ist eine Stärken der Bewegung.»
Organisation über Whatsapp & Co.
Wie gelingt es der Schülerbewegung, ohne erkennbare Strukturen und Führung, die grössten Demonstrationen der letzten Jahre zu organisieren? Die Jugendlichen organisieren sich über Chat-Programme.
In Whatsapp-Gruppen und über die Gamer-App Discord organisieren sie sich. Neben einer nationalen Gruppe gibt es auch regionale Bewegungen.
Schweizer Protagonisten
Auch wenn die Bewegung in der Schweiz keine Führung hat, gibt es verschiedene Personen, die ins Rampenlicht treten.
So etwa der Dimitri Rougy (21): Er soll die Idee der Gaming-App in die Bewegung gebracht haben. Rougy hat das Referendum gegen Sozialdetektive gestartet und wurde damit bekannt.
Marie-Claire Graf ist eine 22-jährige Studentin, welche sich für Nachhaltigkeit einsetzt. Sie reiste mit dem Zug in die Türkei an eine Nachhaltigkeits-Tagung.
Ebenfalls in Erscheinung treten Jonas Stadler, der Facebook-Verwalter der Bewegung. Sowie Nadia Kuhn (21), die in der nationalen Organisationsgruppe mitwirkt.
#Klimademo #Klimastreik pic.twitter.com/md5XPt694b
— Dimitri Rougy (@DimitriRougy) February 2, 2019
Unterstützende Organisationen
Die Klimastreiks werden von den Jugendlichen organisiert und durchgeführt. Die Nähe zu grösseren Organisationen und zur institutionellen Politik werde bewusst vermieden.
Trotzdem gibt es verschiedene Organisationen, welche die Klimastreiks unterstützen und zum Demonstrieren aufrufen. So etwa die «Klima-Allianz Schweiz», «Greenpeace Schweiz» oder die Grünen Schweiz.
Gegner der Klimastreik Bewegung
Nach den ersten Streiks wurden einzelne Schüler für das Fernbleiben von der Schule mit der Note 1 abgestraft. Das führte zu viel Unverständnis.
SVP Politiker verurteilten die Schüler, welche die Schule für die Demos schwänzten. So etwa Nationalrat Christian Imark. «Die Schüler sollen in die Schule gehen und lernen, was die Schweiz schon alles tut für den Klimaschutz», sagt Immark.
SVP Nationalrat Erich Hess griff im Nau-Klimatalk Greta Thunberg als «armes, behindertes Mädchen» an. Thunberg hat das Asperger-Syndrom.
Grösste Jugendbewegung
Die Klimastreiks gelten als grösste Jugendbewegung der Welt. In vielen Städten auf der Welt gingen in den vergangenen Monaten tausende Jugendliche auf die Strasse. Im Januar waren an einem Tag alleine in Brüssel 32'000 Menschen auf der Strasse.
Ausserdem gilt die Klimademonstration vom 2. Februar als grösste Demonstration der Schweiz seit dem Frauenstreiktag von 1991.
Experten schätzen, dass der Klimastreik auch Personen beeinflusst, die selbst nicht auf die Strasse gehen. So sagt etwa der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter: «Die Einstellungen hängen davon ab, was man in den Medien liest und was man von seinem Umfeld mitbekommt».
Ein Ende der Bewegung ist nicht in Sicht. Neben lokalen Schulstreiks jeweils am Freitag, ist für den 15. März 2019 ein weltweiter Klimastreik geplant.