Künstliche Intelligenz kann jetzt Unterschriften fälschen
Die künstliche Intelligenz bedroht jetzt auch die Unterschrift – ein Aktivist schlägt Alarm. Auch die Kriminalprävention warnt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die KI-Entwicklung ermöglicht gefälschte Unterschriften in grossen Mengen.
- Die Bundeskanzlei hat die Kontrollen bereits verstärkt.
- Ein Demokratie-Aktivist warnt bei Nau.ch vor Unterschriften-Bschiss.
Droht jetzt der grosse Unterschriften-Bschiss?
Im vergangenen Jahr wurde publik, dass kommerzielle Sammlerinnen und Sammler Unterschriften für Volksinitiativen gefälscht hatten.
Und das im grossen Stil: Allein im Kanton Waadt wurden seit 2019 «mehrere Tausend» gefälschte Unterschriften entdeckt.
Jetzt mahnt ein Demokratie-Aktivist: Der nächste «Bschiss» könnte unmittelbar bevorstehen.
Grund ist die künstliche Intelligenz – die in Verbindung mit sogenannten Handschriften-Druckern eine Gefahr darstellt.
Diese Drucker können eine handgeschriebene Schrift vorgaukeln. Gedacht ist die Technologie eigentlich für Firmen, um «persönliche» Briefe zu verschicken.
Doch jetzt könnte sie für betrügerische Zwecke missbraucht werden!
Bei Nau.ch warnt Daniel Graf, Stiftungsrat bei der «Stiftung für direkte Demokratie»: «Die Technologie für täuschend echte Handschriften hat in den letzten Jahren einen Quantensprung gemacht.»
Er gibt zu bedenken: «Mit solchen Systemen lassen sich heute schon Unterschriften für Initiativen und Referenden erzeugen, die täuschend echt wirken.»
Entsprechende Drucker gibt es bereits für wenige Hundert Franken online zu kaufen.
Künstliche Intelligenz kann «plausibel wirkende Unterschriften» generieren
Der nächste Meilenstein komme nun durch die künstliche Intelligenz, sagt Graf.
«Sie ermöglicht es, Handschriften in unzähligen Variationen zu generieren, die sich voneinander unterscheiden. Genau wie echte menschliche Unterschriften.»
Und noch beunruhigender sei: «Künstliche Intelligenz kann auch aus Vor- und Nachnamen plausibel wirkende Unterschriften erzeugen, die zur jeweiligen Handschrift passen.»
Will heissen: Besitzt man gültige Adressdaten, kann man laut Graf innerhalb eines Tages Tausende gefälschte Unterschriften für Initiativen oder Referenden produzieren.
Diese Daten könnten etwa aus früheren Unterschriftensammlungen stammen.
Graf glaubt: «Diese Fälschungen wären so überzeugend, dass sie bei der behördlichen Kontrolle kaum auffallen würden. Da die verwendeten Personendaten ja real sind.»
Drei Jahre Knast drohen
Nau.ch konfrontiert die zuständigen Behörden mit den Bedenken rund um künstliche Intelligenz.
Die Bundeskanzlei betont, dass Namen, Vornamen und Unterschriften «von eigener Hand» geleistet werden müssen.
Heisst: Roboter-Unterschriften für Initiativen und Referenden sind illegal.
Wer Unterschriften fälscht oder den Volkswillen manipuliert, dem drohen drei Jahre Knast oder eine Geldstrafe!
Bundeskanzlei verschärft nach Unterschriften-«Bschiss» Kontrollen
Die Bundeskanzlei führt entsprechende Kontrollen durch.
Und: «Die Kontrollen wurden bereits Anfang 2024 verstärkt. Im September 2024 wurden diese verstärkten Kontrollen auf alle Volksbegehren und alle Kantone ausgeweitet», sagt Sprecher Urs Bruderer.
Zur Erinnerung: Letztes Jahr stellte sich heraus, dass professionelle Unterschriftensammler im grossen Stil Unterschriften gefälscht haben sollen.
Zusätzlich arbeite die Bundeskanzlei mit der Wissenschaft zusammen und prüfe auch technische Möglichkeiten.
Bezüglich der Gefahr durch KI-Unterschriften sagt Bruderer: «Uns sind keine Fälle bekannt, wonach Handschriften-Roboter zur Fälschung von Unterschriften für Volksbegehren eingesetzt worden wären.»
Aktivist Daniel Graf warnt dennoch.
«Kurzfristig stehen wir vor einem technologischen Wettrüsten: Die Behörden müssen ihre Erkennungsmethoden für gefälschte Unterschriften laufend verbessern, was den Kontrollaufwand sicher erhöht.»
Die Lösung sieht er im elektronischen Unterschreiben von Volksinitiativen und Referenden.
Dafür bräuchte es die Einführung eines sogenannten elektronischen Identifikationsnachweises (E-ID), die Graf befürwortet.
Das Parlament hat ein entsprechendes Gesetz für eine staatliche E-ID bereits angenommen. Doch es wurde ein Referendum durch die Piratenpartei und Coronamassnahmen-skeptische Kreise ergriffen.
Kriminalprävention warnt vor Missbrauch
KI-generierte Unterschriften könnten jedoch auch ausserhalb der Politik missbräuchlich verwendet werden. Etwa bei Betrugsmaschen.
Die Schweizerische Kriminalprävention (SKP) bestätigt gegenüber Nau.ch: «Durch die immer besser werdende Technologie von Unterschriften-Robotern dürfte vermutlich auch das Missbrauchsrisiko steigen.»
Wichtig sei, dass bei elektronischen Unterschriften zusätzliche Sicherheitsmassnahmen wie die Zwei-Faktor-Authentifizierung verwendet werden.
Und: «Grundsätzlich sollte man die elektronischen Dokumente wie zum Beispiel die Identitätskarte schützen, auf denen Unterschriften abgedruckt sind.»
Man sollte sie also mit niemandem teilen, den man nur online kenne. Ausser, es handle sich um eine offizielle Behörde.
Schweizer Handschriften-Roboter kann keine künstliche Intelligenz
Handschriften-Roboter sind auch in der Schweiz erhältlich. So kann man etwa bei der Zürcher Druckerei Hürlimann das Modell «Sophie» mieten.
Die Druckerei betont gegenüber Nau.ch, für die KI-Gefahr vorgesorgt zu haben.
Inhaber Robert Hürlimann sagt: «Sophie kann Unterschriften schreiben, aber sie kann keine Unterschriften selbst generieren.» Wenn eine Unterschrift gedruckt werden soll, muss der Kunde dafür seine eigene Unterschrift einlesen.
Doch bevor der Roboter diese drucken kann, muss diese zunächst von der Druckerei verifiziert und überprüft werden.
Ein Missbrauch sei durch diese Überprüfung ausgeschlossen. «Da unsere Produktionsgeräte strikt vom Netz getrennt sind, besteht hier kein Risiko», so Hürlimann.