Prozess: Beschuldigter bestreitet Vorwürfe einer IS-Unterstützung
Vor Bundesstrafgericht in Bellinzona hat am Dienstag unter hohen Sicherheitsvorkehrungen die Hauptverhandlung gegen einen 52-jährigen Iraker begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor Bundesstrafgericht in Bellinzona hat am Dienstag die Hauptverhandlung begonnen.
- Dies gegen einen 52-jährigen Iraker.
Vor Bundesstrafgericht in Bellinzona hat am Dienstag unter hohen Sicherheitsvorkehrungen die Hauptverhandlung gegen einen 52-jährigen Iraker begonnen. Ihm legt die Bundesanwaltschaft zur Last, von der Schweiz aus zahlreiche Aktivitäten zugunsten der verbotenen terroristischen Organisation IS entfaltet zu haben.
Der Mann war im Mai 2017 in einer Asylunterkunft im Thurgau verhaftet worden und sitzt seither in Untersuchungs- beziehungsweise Sicherheitshaft.
Der Beschuldigte wies die in der Anklageschrift enthaltenen Anklagepunkte zurück: «Alle Beschuldigungen sind falsch und haben nichts mit der Realität zu tun», sagte er. Auf seinem Pult lagen etliche handschriftliche Notizen, aus denen er zitierte. Auf viele Fragen des vorsitzenden Richters Martin Stupf antwortete er indes ausweichend und wenig konkret, etwa seine Haltung zur Terrormilz Islamischer Staat (IS).
Die vorgelegten, teilweise vorgespielten Auszüge aus Telefonaten und Chat-Konversationen, in denen es um die Unterstützung des IS ging, in denen er vom Märtyrer-Tod sprach und seiner via Facebook geheirateten Frau im Libanon zu einem Selbstmordattentat ermunterte, nannte er «nur Gerede». Das sei Spass gewesen und könne nicht ernst genommen werden.
Teilweise lachte der Beschuldigte beim Vorspielen der Tondokumente. Er bezeichnete sich als gläubigen Muslim sunnitischer Ausrichtung. Die Behauptung seiner ehemaligen Frau, sich radikalisiert zu haben, wies er zurück: «Es gibt keine Radikalen, es gibt nur Gläubige und Heuchler», sagte er.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Anstiftung zu einem Selbstmordattentat im Namen des sogenannten Islamischen Staates (IS) vor, die wiederholte Finanzierung des IS mit einem Gesamtbetrag von rund 17'000 Franken sowie die Rekrutierung und Schleusung zum IS von mehreren Personen.
Ebenfalls beschuldigt wird der Iraker der zustimmenden Entgegennahme der Anweisung eines IS-Führungsmitgliedes zur Vorbereitung von terroristischen Anschlägen in der Schweiz.
Der Beschuldigte erklärte, im Falle einer Freilassung wolle er die Schweiz verlassen: «Das ist hier meine letzte Station», sagte er. Der vorsitzende Richter fragte ihn: «Was droht Ihnen im Falle einer Verurteilung und Abschiebung in den Irak?» Die Antwort: «Das wäre mein Todesurteil.»
In der langen Einvernahme wies der Beschuldigte auch den Vorwurf der Herstellung und Lagerung von Gewaltvideos zurück. Er verabscheue solche Darstellungen, gab er zu Protokoll.
Auch den Vorwurf des Betrugs der Sozialdienste von Eschlikon im Kanton Thurgau, indem er seine Vermögensverhältnisse verschleiert habe, wies er zurück. Er habe nie über eigenen Besitz im Irak verfügt, sagte er. In Bezug auf mehrere finanzielle Transaktionen räumte er ein, einzig seine Frau Fatima H. unterstützt zu haben.
Am Nachmittag wurde Steffen Lau, Chefarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, als sachverständiger Zeuge befragt. Er hatte ein psychiatrisches Gutachten des Beschuldigten angefertigt, bei dem er eine «dissoziale Persönlichkeitsstörung» mit einem moderaten Risiko für extremistischer Gewalt konstatierte.
Der Mann sei in seiner eigenen Welt gefangen. Er sei ein «Anstifter, aber nicht selbst aggressiv», sagte der Sachverständige. Im Umgang mit der Libanesin Fatima habe er sogar etwas Fürsorgliches an den Tag gelegt. Der Beschuldigte sei therapiebedürftig, aber kaum therapiefähig. Der Beschuldigte selbst hatte im Rahmen einer Vernehmung erklärt, das Gutachten des Psychiaters über ihn stimme nicht.
Die Hauptverhandlung wird am Mittwoch mit den Plädoyers der Parteien fortgesetzt. Die Bundesanwaltschaft wird dann ihren Strafantrag stellen. Das Datum der Urteilseröffnung ist noch offen.