Zu langsam! SBB lässt Pendler warten
Frust unter Zugpassagieren: Die schnellere Verbindung wird in der Fahrplan-App der SBB oft gar nicht angezeigt.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Pendler muss auf seinen Anschluss ab Zürich eine halbe Stunde warten, so die SBB-App.
- In Tat und Wahrheit könnte er aber schon in wenigen Minuten entspannt im Zug sitzen.
- Denn: Es gibt eine frühere Verbindung, die die SBB aber bewusst nicht anzeigt.
Die SBB sorgt bei Pendlern auf der Strecke Zürich–Bern für Frust: Fährt der Anschlusszug in weniger als sieben Minuten ab Zürich, wird die Verbindung in der SBB-App gar nicht angezeigt.
Das führt zu unnötig langen Wartezeiten für Pendlerinnen und Pendler – der Fahrgastverband Pro Bahn übt Kritik.
Aber von vorne.
Nau.ch-Leser Leonard C.* ist eines Abends mit einer Freundin unterwegs von Kreuzlingen TG nach Bern. In Zürich müssen sie umsteigen, ihr Zug kommt hier um 23.25 Uhr an.
Laut SBB-App fährt der Anschlusszug jedoch erst um 00.01 Uhr. Also erst in 36 Minuten. Leonard seufzt: «Wir kommen erst um 1 Uhr in Bern an.»
Seine Begleitung korrigiert ihn: «Nein, wir haben sechs Minuten nach Ankunft unseren Anschluss!» Verwirrt überprüfen sie die Verbindung und stellen fest: Tatsächlich könnten sie bereits um 00.31 Uhr in Bern sein.
Die frühere Verbindung wird ihnen jedoch nur angezeigt, wenn sie als Abfahrtsort Zürich eingeben. Sprich: Wenn die App nicht erfährt, dass sie vorher noch umsteigen müssen.
Sie spekulieren über die Gründe für die fehlende Information in der App der SBB: Sollen die Passagiere aus Auslastungsgründen auf mehrere Züge verteilt werden? Oder überschätzt die App ihre Umsteigezeit?
Leonard berichtet: «Obwohl das nächste Gleis im Obergrund liegt und wir aus dem Untergrund kommen: Das Zielperron war sehr nahe, in weniger als vier Minuten waren wir umgestiegen.»
SBB rechnet am HB fast immer mit sieben Minuten Umsteigezeit
Auf Anfrage von Nau.ch erklärt SBB-Sprecherin Sabrina Schellenberg: Die Anzeige in der App sei korrekt und diene nicht der Steuerung der Auslastung. Aber: «Für den Hauptbahnhof Zürich sind innerhalb des Bahnhofs sieben Minuten Umsteigezeit definiert.»
Eine Ausnahme bestehe nur, wenn ankommende und abfahrende Züge am selben Perron oder an gegenüberliegenden Gleisen halten. Im Fall von Leonard C. «liegen zwischen Ankunft und Abfahrt nur sechs Minuten. Also wird diese Verbindung nicht ausgewiesen», so Schellenberg. Die beiden sind also quasi zu schnell.
Die Zeit kalkuliert die SBB je nach Bahnhofsgrösse. Für kleinere Stationen etwa mit nur zwei Gleisen entspricht sie nur zwei oder drei Minuten.
«Weniger flinke» Passagiere sind Grund für lange Umsteigezeit
Der Grund für die «konservative Umsteigezeit»: «Die Gefahr, dass (...) weniger flinke Kundinnen und Kunden eine angegebene Verbindung nicht erreichen.» Dieses Risiko wird höher gewichtet als lange Wartezeiten für schnelle Passagiere.
Trotzdem – bei Pendler C. kommt das nicht gut an. «Das ist wirklich nervig», ärgert er sich.
«Ich fahre selten über Zürich und habe dadurch schon oft eine halbe Stunde unnötig gewartet. So kam es zu Verspätungen, die man hätte verhindern können.»
Pro Bahn Schweiz interveniert bei Alliance Swisspass
Dass die SBB nicht berücksichtigt, wenn sich zwei Gleise nahe beieinander befinden, sorgt nicht nur beim Nau.ch-Leser für Stirnrunzeln.
Auch Karin Blättler, Präsidentin des Zugpassagierverbands Pro Bahn Schweiz, kennt das Problem: «Wir haben das Thema kürzlich im Vorstand besprochen. Wir haben uns entschieden, es am kommenden Treffen mit Alliance Swisspass am 20. November auf die Tagesordnung zu setzen.»
Diese ÖV-Branchenorganisation ist unter anderem für die SBB-App verantwortlich. Ob sich an den Umsteigezeiten und der Darstellung in der App etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
* Name geändert.