Steuern

Steuern ab 150 Franken: «Dann kaufe ich einfach zweimal ein!»

Einkaufstourismus fügt dem Detailhandel erheblichen Schaden zu. Zollfreies Einkaufen nur noch bis 150 Franken werde kaum helfen, erklärt der Experte.

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Einkaufstouristin Vanessa spricht im Interview mit Nau.ch über ihre Einkaufsfahrten ins grenznahe Ausland. - Nau.ch / Drone-Air-Media.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut Bundesrat soll man nur noch für 150 Franken zollfrei in Deutschland einkaufen können.
  • Detailhandelsexperte Thomas Rudolph hält das für untauglich.
  • Es gebe mehrere Gründe für den Einkaufstourismus.
  • Das Interview mit einer Einkaufstouristin bestätigt seine Prognosen.

Der Bundesrat plant eine Anpassung der sogenannten Wertfreigrenze für im Ausland gekaufte Waren: Künftig müssten im Ausland getätigte Einkäufe am Zoll bereits ab einem Wert von 150 Franken versteuert werden.

Bisher lag diese Grenze bei 300 Franken – wer beispielsweise in Deutschland weniger ausgab, konnte dies komplett mehrwertsteuerfrei tun.

Schweizer Detailhandel büsst jährlich fast sieben Milliarden ein

Auch Schweizer Detailhändler jubeln über den Plan. Sie klagen seit Jahren über unfaire Vorteile für Konsumenten, die im Ausland einkaufen – sogenannte Einkaufstouristen.

Die deutschen Läden an der Grenze zittern hingegen. So sagt die Mitarbeiterin eines Shoppingcenters in Konstanz zu Nau.ch: «Wir befürchten definitiv einen Rückgang der Einkaufsfahrten aus der Schweiz.»

Zwar komme ein Grossteil der Kundschaft aus Konstanz. «Doch haben wir auch viele Schweizer Kunden. Die Halbierung der Schweizer Wertegrenze hätte für uns also einschneidende Konsequenzen.»

Was nun? Geht es nach Detailhandelsexperte Thomas Rudolph, müssen sich die Deutschen keine grossen Sorgen um Kunden aus der Schweiz machen...

Gehen Sie oft im grenznahen Ausland einkaufen?

Gegenüber Nau.ch bekräftigt er: «Der Verlust für den Schweizer Detailhandel durch stationären Einkaufstourismus im Ausland beträgt jährlich 6,97 Milliarden Franken.» Rund die Hälfte aller Einkaufstouristen lasse sich die Mehrwertsteuer nach der Einkaufsfahrt zurückerstatten.

Allerdings: «Die Rückerstattung der Mehrwertsteuer ist nicht der einzige Grund, weshalb Schweizerinnen und Schweizer im Ausland einkaufen.»

Die Ergebnisse der «Einkaufstourismusstudie 2022/2023» hätten nämlich gezeigt, dass der wichtigste Grund für Einkaufsfahrten ins Ausland die günstigeren Preise sind. An zweiter Stelle folgt der Kauf von Produkten, die es in der Schweiz nicht gibt.

Wiederum andere Konsumenten und Konsumentinnen machten einfach gerne Ausflüge ins grenznahe Ausland, die sie mit Einkäufen verbinden. «Diese Gründe bleiben auch bei einer Senkung des Freibetrags bestehen», erklärt der Direktor des Forschungszentrums für Handelsmanagement der Universität St. Gallen.

Ein Drittel würde nicht reduzieren

Zum Zeitpunkt der Studien-Erhebung stand eine Senkung der Wertfreigrenze auf gar 50 Franken zur Debatte: Rudolph und sein Team konnten herausfinden, dass Konsumierende ihre Auslandseinkäufe bei diesem Freibetrag um durchschnittlich 36,2 Prozent reduzieren würden.

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Einkaufstouristen würden bei einer Wertfreigrenze von 50 Franken ihre Auslandeinkäufe um durchschnittlich 36,2 Prozent reduzieren. Ein guter Drittel der Befragten würde keine Verhaltensänderung vornehmen. - Rudolph et al., 2022. «Einkaufstourismus Schweiz 2022/23» / zVg

«Dies hätte eine Reduktion des Einkaufstourismus von 2,27 Milliarden Franken zur Folge», erklärt Rudolph. Und: Gut ein Drittel der Befragten gab an, ihre Auslandseinkäufe auch bei einem Freibetrag von 50 Franken überhaupt nicht zu reduzieren.

Was das für eine Grenze von 150 Franken bedeuten würde, lasse sich nicht ableiten.

Attraktivität der tiefen Preise überwiegt

Dennoch wagt der Experte eine Prognose: «Das Herabsetzen der Wertfreigrenze auf 150 Franken wird den stationären Einkaufstourismus bremsen. Die Attraktivität der tieferen Preise und der Wunsch, Ausflüge mit Einkäufen zu verbinden, werden den hemmenden Effekt jedoch reduzieren.» Heisst: Einkaufen im Ausland wird zwar weniger attraktiv, aber bleibt beliebt.

Doch wie sehen es die Einkaufstouris selbst? Nau.ch hat sich ennet der Grenze in Jestetten (D) umgehört. Und Rudolphs Prognose wird bestätigt.

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Professor Thomas Rudolph ist Dozent an der Universität St. Gallen. (Archivbild) - keystone

Einkaufstouristin Vanessa (Video oben) rechnet vor: «Das Shampoo kostet hier 55 Cent, in der Schweiz kostet es 9 Franken und 60 Rappen – das sind Differenzen!» Sie verfüge nur über eine kleine Rente und sei auf die günstigen Preise angewiesen, erklärt sie.

Von der Halbierung der Wertfreigrenze wird sich die Rentnerin nicht aufhalten lassen: «150 Franken sind zwei Einkaufswagen voll – das reicht. Dann gehe ich einfach zweimal im Monat nach Deutschland Einkaufen!»

Kommentare

User #3301 (nicht angemeldet)

Wäre auch ganz nett, wenn die Clowns in Bern eventuell etwas gegen die "Hochpreisinsel Schweiz" unternehmen würden: So wird die Sache ja nur noch schlimmer. Und es soll mir keiner damit kommen, dass die Verkäuferin in der Schweiz mehr verdient: Das Problem hat ganz andere Dimensionen: Es geht darum "Kaufkraft abzuschöpfen" (Zitat Nivea- Boss). Alle Macht den Konzernen!!!

User #4910 (nicht angemeldet)

Jeder will bei uns einen hohen Lohn verdienen aber die anderen sollen nichts haben Ich finde diese egoistischen geiz ist geil Mentalität so zum k…. Eigentlich fahrt ihr den Detailhandel an die wand!

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