Trader raten Jungen, nicht mit Eltern über Netzwerk zu reden
Wer träumt nicht davon, vom Sofa aus reich zu werden? Genau das versprechen sogenannte Trading-Netzwerke. Nur: Es ist zu gut, um wahr zu sein.

Das Wichtigste in Kürze
- Trading-Netzwerke locken mit grossen Versprechen von Reichtum mit wenig Arbeit.
- Das Geschäftsmodell ist pyramidenartig aufgebaut und bewegt sich am Rand der Legalität.
- Viel verdienen damit die wenigsten. Die meisten geben nach kurzer Zeit auf.
Grosse Versprechen, hohe Mitgliederbeiträge – und wenig Verdienst: Trading-Netzwerke ziehen viele Menschen, auch ganz junge, magisch an. Doch nach der Anfangseuphorie folgt oft die Ernüchterung. Denn so einfach, wie es die Verantwortlichen darstellen, macht man damit kein Geld.
Das Geschäftsmodell: Die Netzwerke bringen ihren Mitgliedern bei, wie man tradet. Also, wie man Wertpapiere kauft und verkauft und damit Gewinn macht. Dafür müssen sie eine Startgebühr von um die 1000 Franken und einen monatlichen Mitgliederbeitrag zahlen.
Verkauft wird aber vor allem die Hoffnung, vom Sofa aus reich zu werden: Der Chef des Netzwerks Retired Young verdient nach eigenen Angaben bis zu 100'000 Dollar (umgerechnet 90'800 Franken) monatlich.
Solche Beträge sind für die meisten Mitglieder aber illusorisch. Denn: Das Geschäftsmodell ist pyramidenartig aufgebaut und bewegt sich am Rand der Legalität. Wer in der Pyramide oben ist, verdient an den vielen Beiträgen der Mitglieder mit, die unten stehen. Je weiter unten man angesiedelt ist, desto weniger verdient man an den Beiträgen.
Unter anderem dafür stehen die Netzwerke in der Kritik, wie SRF in einer neuen Doku aufzeigt.
«Leute, die dich jetzt zurückhalten»
Dass etwas nicht ganz koscher ist, lassen schon Telefongespräche vermuten, die ein SRF-Praktikant mit Vertretern führt. Die Trader sagen dem Praktikanten, er solle seinen Eltern und Freunden nicht davon erzählen. «Sie begründeten es damit, dass dies die Leute seien, die dich jetzt zurückhalten.»
Doch auch Ex-Mitglieder sprechen nicht gut über die Netzwerke. Eine Frau, die anonym bleiben möchte, erzählt, sie habe aufgrund von psychischen Problemen nicht arbeiten können.
So ist sie via Tiktok zum Trading gekommen. «Ich war dann ein paar Monate dabei. Ich habe immer mehr gemerkt, dass es viel schwieriger und anders ist, als sie vorgeben.»
Es habe immer geheissen, jeder könne das machen, man müsse es nur genug wollen. «Aber nicht jeder hat die Kapazität, das so zu verstehen», sagt die Frau. «Es ist nicht für jeden möglich, ein guter Trader zu werden.»
Das Netzwerk habe sie stets ermutigt. Doch heute vermutet sie, dass das Team nicht ihren Erfolg im Sinn hatte. Vielmehr dürfte es sie aus egoistischen Gründen zum Weitermachen motiviert haben. Schliesslich verdiente das Netzwerk jeden Monat Geld durch ihre Mitgliederbeiträge.
Trader wollen Geld für Ausbildung – und haben selbst nur Youtube-Videos geschaut
Auch Produktionsmechaniker Jan Flavio Kesselring ist auf ein solches Netzwerk, Retired Young, hineingefallen. Er erinnert sich an das erste Warnzeichen: «Sie sagten, ‹wir haben uns fachlich Youtube-Videos angeschaut›.»
Bedeutet: Er sollte Leute dafür bezahlen, ihm Trading zu erklären, die sich nur auf Youtube selbst «ausgebildet» haben.
«Da sage ich mir: Ich zahle jemandem jeden Monat 350 Dollar, um mir etwas erklären zu lassen, das er in einem Youtube-Video gelernt hat. Obwohl ich das auch gratis tun könnte.»
90 Prozent geben auf
Die beiden sind keine Einzelfälle. Über 90 Prozent der Personen, die sich bei Retired Young anmelden, geben nach drei Jahren auf, so SRF. Kommentieren will einer der Chef des Netzwerks, Silas Setteducati, diese Zahl nicht.
Für gescheiterte Trader sieht er sich aber nicht in der Verantwortung. Er gibt schliesslich keine Tipps, wie er betont. Er teile lediglich, welche Kursbewegungen er für wahrscheinlich hält – räumt aber ein: «Manche folgen mir blind.»
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Stören tut ihn das offenbar nicht. Der streng religiöse Setteducati vergleicht sich unbescheiden mit den Aposteln, die «das Wort Gottes» verkünden. Die Sekten-Fachstelle infosect zieht bei solchen Netzwerken gar einen Vergleich mit Sekten.
Bei Retired Young heisst es zu Kesselrings Vorwürfen, die Videos auf der eigenen Plattform und Ausbildungen seien wertvoll. Er hat beim Seco Beschwerde eingelegt, doch das will die Angelegenheit nicht prüfen. Sonst sind nämlich keine Beschwerden eingegangen.