Travailsuisse: Gewerbe, Kantone und Gesundheitswesen knausern
Das Wichtigste in Kürze
- Travailsuisse wirft Gewerbe, Kantonen und Gesundheitswesen Knauserigkeit vor.
- Dies bezüglich des bezahlten Vaterschaftsurlaubs von zwei Wochen.
- Die IT- und Kommunikationsbranche seien jedoch grosszügig.
Knausern beim bezahlten Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen - das wirft der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse dem Gewerbe, Verwaltungen und dem Gesundheitswesen vor. Ein Jahr nach Annahme der Volksinitiative zog Travailsuisse am Donnerstag vor den Medien Bilanz.
Dass die Bedürfnisse junger Arbeitnehmender in diesen Branchen missachtet würden und nur das Minimum von zehn Arbeitstagen beziehungsweise zwei Wochen gewährt werde, sei unverständlich, hiess es in einer Mitteilung von Travailsuisse und seinen Verbänden Syna und Transfair.
Die Resultate einer repräsentativen Umfrage unter dem Titel «Barometer Gute Arbeit» zeigen laut Travailsuisse, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmenden nur den minimalen Vaterschaftsurlaub erhält und vor allem jüngere Arbeitnehmende mit dessen Dauer unzufrieden sind.
«Die heutigen Väter wollen präsente Väter sein», sagte Adrian Wüthrich, der Präsident von Travailsuisse, am Donnerstag vor den Medien. Nach Angaben von Marco Geu, Zentralsekretär der Gewerkschaft Syna, erhalten heute zwei Drittel der angestellten Väter nur das gesetzliche Minimum, nämlich einen Urlaub von zehn Arbeitstagen. «Die meisten möchten aber vier Wochen», sagte Geu vor den Medien.
Geu verwies auf ein Rechtsgutachten von Thomas Geiser von der Universität St. Gallen. Es bestätige, dass der gesetzliche Vaterschaftsurlaub in der Regel zu den Bestimmungen aus den Gesamtarbeitsverträgen addiert werden müsse.
«Trotz des eindeutigen Rechtsgutachtens lehnen die Arbeitgebenden eine Kumulation des Vaterschaftsurlaubs aber praktisch flächendeckend ab», sagte Geu. «Hier werden wir als Gewerkschaft den Druck weiterhin hochhalten müssen.»
Gewerbe und Gesundheitswesen «am knausrigsten»
Eine Auswertung der wichtigsten Gesamtarbeitsverträge deckt demnach deutliche Unterschiede zwischen den Branchen auf. «Am knausrigsten zeigen sich mit durchschnittlich 10 bis 11 Tagen das Gewerbe und das Gesundheitswesen», sagte Thomas Bauer, Leiter Sozialpolitik bei Travailsuisse vor den Medien.
Erstaunlich sei auch, dass die kantonalen Angestellten fast überall nur das gesetzliche Minimum erhalten - im Gegensatz zu den städtischen Angestellten, die meist von einer längeren Väterzeit profitierten. Auf betrieblicher Ebene müsse es Verbesserungen geben, sagte Bauer. Das betreffe vor allem die Handwerkerberufe, das Gesundheitswesen und auch die Kantone.
Auch auf politischer Ebene geht der Kampf laut den Gewerkschaften für einen besseren Schutz junger Familien weiter. Greta Gysin, Nationalrätin (Grüne/TI) und Co-Präsidentin von Transfair, hat dafür zwei Motionen eingereicht.
IT- und Kommunikationsbranche laut Angaben grosszügig
Mit der einen soll der Kündigungsschutz für Väter bei der Geburt eines Kindes eingeführt werden, mit der andern soll der Vaterschaftsurlaub auch beim Tod des Kindes zur Anwendung kommen, schrieb Transfair in einer Mitteilung.
«Es darf nicht sein, dass junge Väter aus Angst vor einer Kündigung den ihnen zustehenden Vaterschaftsurlaub nicht beziehen», wurde Gysin zitiert. Dasselbe gelte für den Bezug des Urlaubs beim Tod des Kindes vor oder während der Geburt.
Grosszügige Leistungen für junge Väter bieten den Angaben zufolge insbesondere die IT- und Kommunikationsbranche sowie die Pharmaindustrie mit durchschnittlich 30 bis 31 freien Tagen.
In der Volksabstimmung vom 27. September 2020 war die Vorlage für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub mit 60,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden. Damit können Väter innerhalb von sechs Monaten ab Geburt eines Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub beziehen. Finanziert wird dieser wie die Mutterschaftsentschädigung über die Erwerbsersatzordnung. Die Vorlage trat Anfang dieses Jahres in Kraft.