Trennung vorgetäuscht? Luzerner Gericht will Familie ausschaffen
Eine Familie aus Eritrea soll des Landes verwiesen werden. Der Grund: Die Trennung der Eltern sei vorgetäuscht gewesen, sie hätten Sozialhilfebetrug begangen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Ehepaar aus Eritrea wird des Sozialhilfebetrugs schuldig gesprochen.
- Ihnen wird vorgeworfen, eine Trennung fingiert zu haben, um mehr Sozialhilfe zu kassieren.
- Beiden – und fünf ihrer sechs Kinder – droht nun der Landesverweis.
Ein Luzerner Gericht will eine achtköpfige Familie nach Eritrea abschieben. Der Grund: Die Eltern hätten eine Trennung vorgetäuscht und so Sozialhilfebetrug begangen.
Dies kommt aus, weil sich das Ehepaar offiziell zwar trennt, aber dann ein Kind bekommt. Und dies nicht nur ein-, sondern gleich zweimal.
Nun sollen die Eltern das Land für fünf Jahre verlassen. Ein Urteil, das auch fünf der sechs Kinder der Familie betreffen würde.
Aber von vorne: 2007 flieht ein junger Eritreer, der als Lehrer gearbeitet hat, in die Schweiz. Seine Frau und sein dreijähriges Kind lässt er im Heimatland zurück.
Sie kommen 2011 in die Schweiz nach. Hier bekommen sie drei weitere Kinder und leben als Familie zusammen.
Ehepaar trennt sich – aber es gibt Zweifel
Bis 2016, dann kommt es zu einer offiziellen Trennung des Paares, schreibt der «Beobachter». Die Frau stellt im Anschluss beim Bezirksgericht Trennungsbegehren.
Aber noch während das Verfahren kommen Zweifel darüber auf, ob die Trennung tatsächlich vollzogen wurde. Denn eine zuständige Sozialarbeiterin meldet sich beim Gericht.
Laut ihr verbringt der Mann «auffallend viel Zeit bei seiner Familie». Zudem sei die Frau erneut schwanger – von ihm.
Das Ehepaar zieht das Trennungsbegehren vor dem Bezirksgericht zurück. Offenbar hat man sich wieder vertragen.
Getrennte Paare erhalten mehr Sozialhilfe: eine Masche?
Doch das Paar steht seither unter Verdacht. Denn: Die Polizei Luzern stellte in diesem Jahr fest, dass sich viele Ehepaare – gerichtlich oder freiwillig – trennen.
So weit, so normal. Aber die Paare lebten danach noch zusammen. Und stammten auffällig oft aus «ostafrikanischen Ländern», berichtet die Zeitung.
Heikel ist das, weil sich bei einer Trennung die Sozialhilfe erhöht. Betroffene Familien bekommen mehr Unterstützung, wenn die Eltern getrennt leben.
Bei der Polizei glaubt man wegen der vielen Fälle an einen Bschiss. Aber man kann wegen zu wenigen «personellen Ressourcen» kaum ermitteln.
Behörden filmen Paar
Als sich das Ehepaar 2019 erneut trennt, sind die Behörden sofort alarmiert. Denn: Noch am Tag, an dem die offiziell getrennte Ehefrau Eheschutzgesuch einreicht, meldet sie sich auch beim Sozialamt.
Das führt zu einer Überwachung des offiziell in Trennung lebenden Paares. Dabei wird festgestellt, dass das Auto des Ehemannes oft vor der Wohnung der Ehefrau parkiert ist. Und das nachts.
Es wird eine Videoüberwachung installiert. Diese filmt den Mann fast täglich dabei, wie er seine Familie besucht.
Anlass für die Behörden, zwei Hausdurchsuchungen durchzuführen. Bei diesen werden in der Wohnung der Frau mehrere Männerschuhe entdeckt. Und beim Mann wird festgestellt, dass in seiner Wohnung kein einziges Paar Socken zu finden ist.
30'000 Franken Sozialhilfe erschlichen
Der Fall landet vor Gericht, denn: Das Paar hat, falls es sich nicht getrennt hat, hat es 30'000 Franken Sozialhilfe zu viel bezogen.
Für den Richter ist klar, dass die Trennung nur fingiert ist. Dies auch, weil die Frau während des Prozesses hochschwanger ist – von ihrem Ehemann.
Er verurteilt das Paar wegen Sozialhilfebetrugs. Das hat zur Folge, dass das Ehepaar für fünf Jahre des Landes verwiesen wird.
Dies, weil das Paar nicht glaubhaft machen kann, dass es in Eritrea von Folter oder schlimmerem bedroht wäre. Das Gericht sieht ausserdem keine Hinweise dafür, dass das Paar in der Opposition tätig sei.
Urteil wird weitergezogen
Der Landesverweis wirkt sich auch auf die Kinder des Paares aus. Fünf von ihnen sind zu jung, um alleine in der Schweiz zu bleiben.
Sie müssen mit ihren Eltern ausreisen. Das, obwohl alle fünf betroffenen Kinder in der Schweiz geboren wurden und vier schulpflichtig sind.
Nun wehrt sich das Ehepaar gegen das Urteil und den drohenden Landesverweis. Es zieht an das Kantonsgericht weiter.