Wegen Klimawandel treibt Natur früher aus – zu früh für Rehkitze
Der Klimawandel lässt die Vegetation früher austreiben. Für Hobbygärtner ist das schön, für Rehe eher weniger. Rehkitze kommen so oft zu früh auf die Welt.
Das Wichtigste in Kürze
- Normalerweise kommen Rehkitze zu Beginn der Vegetationszeit auf die Welt.
- Wegen des Klimawandels verschiebt sich der Vegetationsbeginn immer weiter nach vorne.
- Damit überlappen die Zeit des optimalen Nahrungsangebot und der Geburten immer weniger.
Wildtiere gebären ihren Nachwuchs zu dem Zeitpunkt, an dem die Umweltbedingungen einen optimalen Fortpflanzungserfolg ermöglichen. Rehkitze kommen deshalb zu Beginn der Vegetationszeit zur Welt. Wenn dieser nun vor den angestammten Geburtsterminen der Rehe liegt, suchen die säugenden Rehgeissen vergeblich nach den gut verdaulichen Jungpflanzen. Diese machen normalerweise ihre Milch so bekömmlich.
Denn die Zeit des optimalen Nahrungsangebots und die Setzzeit der Rehe überlappen immer seltener. Dies beweist eine Studie unter der Leitung von Kurt Bollmann, Wildtierbiologe an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. In höheren Lagen ist die Synchronizität von Vegetation und Rehgeburten noch optimal ist. In den tieferen Lagen driften Botanik und Zoologie jedoch auseinander.
Das WSL-Forschungsteam hat Daten der letzten 45 Jahre verglichen. In dieser Zeit haben sich der Vegetationsbeginn um 20 Tage und der erste Heuschnitt um 14 Tage nach vorne verschoben. Damit konnten die Rehe nicht annähernd mithalten: Ihre Setztermine verschoben sich in all den Jahren nur um drei Tage nach vorn.
Lage bisher noch nicht zu dramatisch
«Ein Grund für die langsame Anpassung des Setztermins ist, dass die Fortpflanzung des Rehs durch das Tag/Nacht-Verhältnis gesteuert ist. Dieses verändert sich nicht durch den Klimawandel», erläutert die Forschungsgruppe in einer Mitteilung vom Wochenende.
Noch ist die Lage nicht dramatisch. «Dank der relativ kleinräumigen und mosaikartigen Bewirtschaftung der verschiedenen Landwirtschaftskulturen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten wachsen, findet das Reh auch nach den optimalen Bedingungen im Wiesland genügend Nahrung», sagt Bollmann.
Es ist aber möglich, dass die Rehe in Zukunft im Mittelland seltener werden. Dafür könnten sie die Hügel- und Berglagen stärker besiedeln, weil dort die Vegetationsentwicklung später einsetzt. Somit stimmt sie besser mit den Setzterminen überein.
Dabei spielt auch die Witterung im Winter und zur Aufzuchtzeit eine Rolle. Die Forschenden empfehlen darum, das seit 1971 mittels Ohrmarkierung praktizierte Rehkitzmonitoring fortzusetzen und in den tieferen Lagen zu verdichten: «So können Bestandsveränderungen beim Reh rechtzeitig festgestellt und das Jagdmanagement entsprechend angepasst werden», sagt Maik Rehnus, Erstautor der Studie.