Zürcher Polizist wegen versuchter Tötung vor Gericht
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Äthiopier ging im Dezember 2015 in Zürich mit einem Metzgermesser auf Polizisten los.
- Erst 13 Schüsse stoppen den Messer-Mann.
- Jetzt ist einer der Polizisten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung angeklagt.
Der dramatische Vorfall passiert frühmorgens am 27. Dezember 2015 in Zürich-Wiedikon. Der damals 43-jährige Äthiopier Khalid M.* fuchtelt mit einem Fleischermesser in der Hand im Quartier herum. Er bedroht die Polizei mit einem 25 Zentimeter langen Metzgermesser.
Zwei Polizeipatrouillen sind vor Ort, insgesamt fünf Polizisten. Sie setzen zuerst Pfefferspray ein. Doch das stoppt den Messer-Mann nicht. Ein Polizist schiesst zweimal. Der Äthiopier ruft mehrmals: «Kill me, kill me». Nachbarn sagen nachher, der Mann habe auch «Allahu akbar» gerufen.
«Absolute Notwehrsituation»
Der Messer-Mann stürmt weiter, geht mit Polizist Roman L.* (33) auf den Boden. Der schiesst dann insgesamt elf Mal. Roman L. sagt: «Er lag auf mir, mit dem Messer in der Hand.» 6 der insgesamt 13 Schüsse treffen den Äthiopier. Er überlebt schwer verletzt.
Die Stadtpolizei Zürich spricht nach dem Vorfall von einer «absoluten Notwehrsituation». Nachher stellt sich heraus: Der Messer-Mann litt zum Zeitpunkt des Vorfalls unter akuten psychischen Problemen.
Islamistischer Terror in Europa
Das konnten die Zürcher Polizisten damals nicht wissen: Im Jahr 2015 veranstalteten islamistische Terroristen ein Blutbad in Europa. Im Fokus stand insbesondere Frankreich: Im Januar 2015 wurden elf Menschen beim Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris getötet. Auf der Flucht erschossen die Terroristen einen Polizisten.
Im November starben 130 Menschen bei koordinierten Angriffen an fünf Orten in Paris: 89 Menschen starben allein bei einem Rockkonzert im Bataclan-Theater.
Anklage wegen versuchter Tötung
Heute Nachmittag steht jetzt Polizist Roman L. vor dem Bezirksgericht Zürich. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn der versuchten vorsätzlichen Tötung.
Die beiden Polizisten hätten anfangs aus Notwehr geschossen, heisst es in der Anklageschrift. Zwischen dem Äthiopier und Roman L. sei es dann zu einem «Gerangel» gekommen, worauf der Polizist ebenfalls aus Notwehr geschossen habe.
Doch Khalid M. habe sich entfernt. Roman L. habe dann «bewusst und gewollt noch drei weitere Schüsse» in dessen Richtung abgeben.
Khalid M. wurde in beiden Armen und im Rückenbereich getroffen. «Dies tat der Beschuldigte, obwohl er nicht mehr angegriffen wurde», schreibt der Staatsanwalt.
Äthiopier geht vor Bundesgericht
Im März 2018 kam die gleiche Staatsanwaltschaft zu einem anderen Schluss: Sie stellte das Strafverfahren gegen die beiden Polizisten ein, weil sie aus Notwehr gehandelt hätten. Das Obergericht Zürich wies dann eine Beschwerde des Äthiopiers gegen diese Verfügung ab.
Khalid M. reichte beim Bundesgericht Beschwerde ein. Im April 2019 entschied dieses, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen Stadtpolizist Roman L. weiterführen muss.
Anhand der «offensichtlich unklaren Beweislage» lasse sich nicht beurteilen, ob der Schusswaffeneinsatz rechtmässig gewesen sei. Die Lausanner Richter hiessen somit die Beschwerde des Äthiopiers gut.
Messer-Mann schuldunfähig
Messer-Mann Khalid M. stand im Dezember 2016 selber vor dem Bezirksgericht Zürich. Er war wegen versuchter schwerer Körperverletzung angeklagt.
Der Äthiopier wurde jedoch freigesprochen, weil er an einer schizophrenen Psychose leidet und zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. Das Bezirksgericht ordnete - wie dies die Staatsanwaltschaft beantragt hatte - eine ambulante Therapie an.
*Namen geändert