Zürich – Kreis 3: Immo-Firma sahnt mit Zwischenmieten ab
Eine Immobilienfirma aus dem Kanton Zug kauft eine Liegenschaft im Kreis 3, kündigt allen Mietparteien und vermietet die schäbigen Wohnungen für das Dreifache.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Immobilienunternehmen Amini Group treibt die Zürcher Mieten noch weiter in die Höhe.
- Im Kreis 3 kauft die Firma eine Liegenschaft. Für die Wohnungen zahlt man nun viel mehr.
- Mieterin Svenja erzählt von ihrem Erlebnis.
Die Amini Group zieht Kunden an, die Geld haben. Das Portfolio des Immobilienunternehmens umfasst Luxusvillen rund um den Zürichsee. Das Büro liegt in bester Lage im Kreis 2, direkt am See.
Im Handelsregister ist die Aktiengesellschaft in Baar, Kanton Zug, gemeldet – dem Schweizer Steuerparadies. «Zu uns kommt, wer das Einzigartige schätzt, die individuelle Beratung, die Exklusivität auch», beschreibt der Inhaber die Zielgruppe in einem bezahlten PR-Artikel in der NZZ. Eine Boutique für Immobilien quasi.
Die Amini Group mischt aber nicht nur in Gegenden mit, wo sich Gutbetuchte gegenseitig die Villen wegschnappen. Die Holding treibt auch im Zürcher Kreis 3 die Mieten in die Höhe, wie ein aktuelles Beispiel zeigt.
Im Sommer 2022 kaufte das Unternehmen eine Liegenschaft in der Aemtlerstrasse 90, direkt am Friedhof Sihlfeld. Bevor das Grundstück in den Besitz der Amini Group kam, gehörte es einer Privatperson. Für wie viel Geld es verkauft wurde, will man nicht sagen.
Mieter dürfen vorerst bleiben
Wenige Monate später folgte die Leerkündigung. Ein Jahr hatten die Bewohnerinnen und Bewohner der insgesamt fünf Wohnungen Zeit, ein neues Zuhause zu finden. Drei Wohnungen wurden kurz darauf frei.
Die Mieterinnen aus dem dritten Stock, Svenja und ihre Mitbewohnerin, fochten die Kündigung an. Mit Erfolg: Ihre Anfechtung wurde gutgeheissen, da die Amini Group zum Zeitpunkt der Kündigungen keine Pläne vorlegen konnte. Die Frist wurde um zwölf Monate verlängert. Auch ein weiterer Mieter im Haus erhielt von der Schlichtungsbehörde recht.
Zum Leidwesen ihrer Vermieterin, der Amini Group. Denn solange das Haus bewohnt ist, bleibt der Umbau blockiert. Mit der Folge, dass die bereits leer stehenden Wohnungen befristet vermietet werden. Eine gängige Methode von Immobilienunternehmen, doch noch zu Geld zu kommen.
Und auch die niedrige Leerwohnungsziffer spricht eigentlich dafür, leer stehende Wohnungen möglichst nicht dem Angebot zu entziehen. Im Juni 2023 standen in der gesamten Stadt gerade einmal 144 Wohnungen leer. Die Nachfrage übersteigt auch heute das Angebot bei Weitem – vor allem in zentralen Quartieren wie dem Kreis 3.
Ein Zimmer so teuer wie die ganze Wohnung
Doch statt die Wohnungen mit dem alten Mietzins zwischenzuvermieten, werden die Zimmer nun einzeln und möbliert angeboten – für 1650 Franken im Monat, die maximale Mietdauer beträgt drei Monate.
Als Svenja das erfahren hat, habe es ihr die Sprache verschlagen. «Die Miete für ein Zimmer ist höher, als wir für die ganze Wohnung zahlen. Das ist doch absurd», sagt die 35-Jährige. Ihre 3-Zimmer-Wohnung kostet monatlich 1570 Franken. Zum Vergleich: Sind alle Zimmer in der Zwischennutzung belegt, werfen diese pro Wohnung eine Miete von knapp 5000 Franken ab.
Dabei ist das Haus laut Svenja in einem schlechten Zustand, seit Jahren sei nichts mehr investiert worden. Die Bäder und Küchen hätten einen schlechten Ausbaustandard. Die langjährige Mieterin führt durchs Treppenhaus und in den Keller, überall blättert die Tapete von den Wänden.
Demonstrativ zieht Svenja die verschimmelte Waschmittelschublade aus der Maschine. «Und der Tumbler funktioniert sowieso seit Monaten nicht mehr», ergänzt sie und zeigt auf ein altes Gerät in einer Ecke der Waschküche.
Internetauftritt erweckt falschen Eindruck
Die Mängel würden sie nicht weiter stören: «Wir bezahlen für drei Zimmer nur 1570 Franken Miete, das ist völlig fair.» Dass die Amini Group für die befristeten Wohnungen monatlich je 5000 Franken erwirtschaftet, beschreibt Svenja als «völlig jenseits». Es entspricht ihrer Meinung nach absolut nicht dem tatsächlichen Wert des Angebots. «Die Zwischenmieterinnen und -mieter wissen gar nicht, worauf sie sich hier einlassen, die meisten kommen aus dem Ausland, können die Sprache nicht und kennen sich mit der hiesigen Praxis nicht aus», so Svenja.
Tatsächlich zeigt der Webauftritt der Firma ein Bild, das jenem der Realität nur wenig ähnelt: Weder von der verschimmelten Waschküche noch vom heruntergekommenen Treppenhaus oder den alten Bädern und Küchen ist auf den Bildern etwas zu sehen. Im Gegenteil: Sie erwecken den Anschein, es handle sich um luxuriöse, frisch sanierte Zimmer.
In der Anzeige ist die Rede von einem Zimmer mit «modernem Charme», ein «Happy Place», der zudem nachhaltig und «eco-friendly» sei. Dabei sei das Haus keineswegs nachhaltig, sagt Svenja. So werde mit Öl und Gas geheizt, zudem seien die Fenster undicht, die Wände schlecht isoliert. «Im Winter ist es teilweise so kalt, dass man mit dicken Socken und mehreren Decken noch friert», führt sie aus.
Rechtliche Grauzone
Wie ist so was möglich? Rechtlich gesehen befände man sich in einer Grauzone, sagt Katrin Reichmuth, Mietrechtsexpertin beim Beobachter. Grundsätzlich gelte die Kostenmiete und eine maximal zulässige Rendite von zwei Prozent über dem geltenden Referenzzinssatz – unabhängig davon, ob die Zimmer befristet oder unbefristet vermietet seien. «Das Problem jedoch ist, dass diese nicht kontrolliert werden», so die Juristin.
Es liege also an den Mieterinnen und Mietern, sich bei einem Verdacht auf Missbrauch zu wehren. Weil der Prozess einer Anfechtung relativ langwierig sei, ist dies gerade bei kurzer Aufenthaltsdauer Reichmuth zufolge unrealistisch. Für die Juristin ist klar: Es braucht eine staatliche Überprüfung der Mietzinse. Andernfalls liege es immer an der schwächeren Position, also der Mieterschaft, tätig zu werden und den Anfangsmietzins anzufechten.
Das Angebot an kurzzeitig vermieteten Business-Apartments steigt seit Jahren, wie Recherchen von «Tsüri.ch» zeigen. Auswertungen des Statistischen Amtes bestätigen dieses Bild: Wurden bei der ersten Erhebung im Jahr 2016 noch 2700 Wohnungen als Business-Apartments genutzt, kletterte die Zahl seither konstant nach oben.
Im vergangenen Jahr zählte die Stadt insgesamt 4710 Apartments – 410 mehr als 2022. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Fall im Friesenberg bekannt, bei dem ein ganzes Quartier einer Genossenschaft von einem kommerziellen Anbieter zwischenvermietet wurde.
Keine Energie mehr für Zürcher Wohnungsmarkt
Mittlerweile liegt ein Baugesuch für die Aemtlerstrasse 90 vor. Dem Amtsblatt des Kantons Zürich ist zu entnehmen, dass ein Umbau mit Dacherhöhung geplant ist. Die genauen Baupläne lassen sich jedoch nicht mehr einsehen, die Frist dafür ist im Januar abgelaufen. Auch die Amini Group lässt sich nicht in die Karten schauen; Anfragen bleiben unbeantwortet.
Ein Blick auf das Portfolio der Firma lässt jedoch erahnen, was der Liegenschaft blüht: Wohnungen im Hochpreissegment. Einige Balkone sind bereits ausgesteckt, sie sollen vergrössert werden. Zudem seien immer wieder Leute vom Denkmalschutz und Architekten im Haus gewesen, erzählt Svenja.
Für sie endet damit ein Kapitel. Sie wird mit ihrem Freund und dem Hund ins Toggenburg in ein Haus ziehen. Zwar bedeutet das für die 35-Jährige einen Pendelweg von anderthalb Stunden, aber «für diese endlosen Kämpfe auf dem Wohnungsmarkt in Zürich habe ich keine Energie mehr».
Korrektur: Die Firma wurde fälschlicherweise im ursprünglichen Titel an der Goldküste verortet, sie hat ihren Sitz im Kanton Zug und das Büro im Kreis 2.
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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autorin Noëmi Laux ist Redaktorin beim Zürcher Stadtmagazin.