Gastbeitrag von Klimastreik Schweiz: Mit Vollgas in die Krise
Droht uns ein Blackout? Solche Szenarien werden von Politikern geschürt. Ihre Lösung: AKWs und Gaskraftwerke. Für die Umwelt eine Katastrophe. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Setzt die Schweiz bei der Energie statt auf erneuerbare auf Gas-Energie?
- Weshalb dies für die Umwelt eine katastrophale Entscheidung wäre, erklärt Milena Hess.
- Ein Gastbeitrag von Milena Hess vom Klimastreik Schweiz.
Seit Monaten schüren der Bundesrat und die bürgerlichen Parteien die Angst vor einem Blackout. Dabei fordern die beiden Parteien SVP und FDP den Bau neuer Atomkraftwerke oder deuten diese Forderung zumindest an.
Bei genauerem Hinsehen wird aber klar, dass dies nicht das wirkliche Ziel ist. Der Ausbau der Gaskraft sollte salonfähig werden. Dies wäre jedoch eine energie- und klimapolitische Katastrophe.
Im Oktober veröffentlichte der Bund ein Video mit Wirtschaftsminister Parmelin, der vor einer «Strommangellage» warnte. Zur gleichen Zeit wurde eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass 2025 bei keinem bis dahin ausgehandelten Stromabkommen oder anderweitigen bilateralen Regelungen mit der EU im März für 47 Stunden ein Stromausfall drohen könnte, wenn gleichzeitig ein Drittel der französischen Atomkraftwerke und das Kernkraftwerk Gösgen I+II ausfallen würden. Ein sehr unwahrscheinliches, aber durchaus ernst zu nehmendes Szenario.
SVP und FDP wollen neue AKWs
Die Reaktionen darauf folgten prompt: SVP und FDP erklärten die von der Stimmbevölkerung angenommene Energiestrategie 2050 für gescheitert und forderten den Bau neuer Atomkraftwerke. Nur: 2025 wird mit Sicherheit kein neues Atomkraftwerk in der Schweiz stehen, denn schon nur der politische Prozess würde länger dauern. Danach müsste dieses auch noch gebaut werden. Dies unter der Annahme, dass überhaupt jemand den Bau eines neuen AKWs finanzieren würde.
Unabhängig von der politischen Einstellung zur Atomkraft lässt sich konstatieren, dass in drei Jahren definitiv kein neues AKW in Betrieb sein wird. Insgeheim wissen dies auch die beiden rechten Parteien. Darum wird unter anderem vom Verband der Grosskonzerne, Economiesuisse, der Bau von Gaskraftwerken gefordert.
Auch der Bundesrat, de facto der politische Arm von Economiesuisse, scheint dem Ausbau der Gaskraft nicht abgeneigt zu sein. Als Reaktion auf die Studie zur potenziellen Versorgungssicherheit gab er ein Konzept für den Ausbau der Gaskraft in Auftrag. Dieses liegt nun vor, ist aber geheim. Ausserdem skizzierte Umweltministerin Sommaruga einen Fünf-Punkte-Plan, der ebenfalls den Bau von Gaskraftwerken in Betracht zieht.
Das Absurde an der ganzen Debatte ist, dass in der Studie der Elektrizitätskommission (ElCom) die erneuerbaren Energien in keinem Wort erwähnt werden. Die Studie besagt auch, dass die Gefahr einer potenziellen Strommangellage gebannt werden kann, wenn ein Stromabkommen oder eine anderweitige bilaterale Lösung mit der EU vorliegt.
Das Problem ist also eindeutig auf die gescheiterten Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU zurückzuführen. Nun muss rasch ein Stromabkommen mit der EU her, das dieses Problem behebt.
Die Gaslobby greift an
Nichtsdestotrotz findet diese Debatte, die klar von den grossen Konzernverbänden und den bürgerlichen Parteien dominiert wird, statt. Das Ziel ist klar: Die Energiestrategie 2050 sollte sabotiert werden, um die Gaskraft salonfähig zu machen. Die Gasindustrie kann dabei auf zahlreiche Lobbyisten im Parlament zählen.
Eine davon ist Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-Nationalrätin, die seit Wochen regelmässig auf den sozialen Medien vor einem Blackout warnt. Was sie dabei nicht erwähnt, ist ihr gut dotiertes Mandat bei der Firma EBM (Genossenschaft Elektra Birseck), welche gemäss lobbywatch.ch Anteile an Gasunternehmen und -kraftwerken besitzt. Ihr Parteikollege Nicolò Paganini ist Präsident der IG Erdgas, die Höhe seines Honorar ist nicht bekannt, und FDP-Nationalrat Martin Schmid ist Verwaltungsrat bei Swiss, die Höhe seines Gehalts ist ebenfalls unbekannt.
Die europäische Gasdebatte
Die Frage der Energieversorgung ist nicht nur in der Schweiz wieder auf dem Tisch, sondern in ganz Europa. Die EU-Kommission stuft seit Neustem Gas- und Atomkraft als grüne Technologien ein, angesichts der sich verschärfenden Klimakrise eine verheerende und fatale Entscheidung. Erdgas ist nebst Kohle und Erdöl ebenfalls ein fossiler Brennstoff, dessen Verbrauch möglichst rasch auf null sinken muss.
In anderen europäischen Ländern liegt bereits ein Engpass in der Energieversorgung vor – aufgrund zurückgehaltener russischer Gaslieferungen. Besonders in England steigen seit Monaten die Gaspreise, die bereits heute für viele Menschen unbezahlbar sind. Des Weiteren fordert die deutsche Klimabewegung, dass die Gaspipeline Nord Stream 2, eine direkte Gasleitung von Russland nach Deutschland, nicht ans Netz gehen darf. Der Konflikt um die Pipeline intensivierte sich in den letzten Wochen angesichts der angespannten Lage an der ukrainischen Grenze.
Die Lüge vom grünen Gas
Befürworter der Gaskraft, die wohl alle an einem Bau von neuen Kraftwerken mächtig mitverdienen würden, behaupten, die Energiegewinnung würde dabei klimaneutral erfolgen.
Das ist reines Greenwashing: Gas kann nur «klimaneutral» sein, wenn die entstehenden Treibhausgasemissionen eingefangen und für alle Zeiten gespeichert werden. Ein äusserst energieintensives Verfahren, das nebst ein paar kleinen Versuchsanlagen nur auf dem Papier existiert.
Wir brauchen echte und wirksame Lösungen
Der Klimastreik wird einen Ausbau der Gaskraft in der Schweiz mit allen Mitteln verhindern. Mitten in der Klimakrise den Bau eines Gaskraftwerks zu fordern, mag ein lustiger Witz in einer Samstagabendsendung sein. Mit der Realität hat diese Energie- und Klimapolitik aber nichts gemein. Was es nun braucht, ist ein rascher, subventionierter Ausbau der erneuerbaren Energien.
Der Klimastreik hat diese Massnahmen im Klima-Aktionsplan detailliert ausgearbeitet. Dazu gehören etwa eine subventionierte Solarpflicht auf allen geeigneten Dächern und die Ausbildung von Photovoltaikinstallateuren. Wirksame, klimafreundliche Lösungen liegen seit Jahren auf dem Tisch, sie müssen nun rasch implementiert werden.