Handy-Sucht: Wie lange wollen wir noch schlechte Vorbilder sein?
Fluch oder Segen – für Nau.ch-Kolumnistin Christina Bachmann-Roth (Die Mitte) ist das Smartphone beides. Sie fordert Massnahmen zum Schutz der Kinder.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Handy – respektive das Smartphone – verändert die Gesellschaft wie kaum etwas anderes.
- Wir Erwachsene sind dabei Kindern oft ein schlechtes Beispiel.
- Eine Kolumne von Christina Bachmann-Roth.
- Die Aargauerin ist Präsidentin der Mitte-Frauen Schweiz.
Eine Freundin sagte mir gestern, sie mache Handy-Detox. Will heissen: Ihr Smartphone bleibt einen Monat lang ausgeschaltet. Wow! Ich schluckte leer.
Wie soll das gehen? Und das mitten im Alltag? Ich erlebte es mal eine Woche in den Alp-Ferien – was für eine Herausforderung.
Nun ja, wahrscheinlich lesen Sie diese Zeilen auf Ihrem Handy, nachdem Sie damit vielleicht im Laden schnell und bequem ein Süssgetränk bezahlten. Das Smartphone ist ein Segen, keine Frage. Was für eine Erleichterung des Alltags! So viele Möglichkeiten, fantastisch.
Mick Jagger singt für Handys
Allerdings ertappe ich mich immer öfters dabei, dass es mich nervt, wie im Zug alle auf den Bildschirm starren. «Guckt her, liebe Kinder, als Erwachsener findet Freude und Aufregung nur an einem digitalen Endgerät statt!» Wollen wir das vermitteln?
Mick Jagger sagte mal, er sehe auf der Bühne nur noch Telefone. Früher genossen Menschen ein Konzert – heute filmen sie es, um sich später daran zu erfreuen und die Freude zu teilen.
Gut und recht. Aber leben wir überhaupt noch im Jetzt? Können wir Mitmenschen ungeteilte Aufmerksamkeit schenken?
Druck für die Jugend
Das Smartphone ist ein Problem der öffentlichen Gesundheit geworden. Vor allem für Kinder und Jugendliche. Ganz besonders die sozialen Netzwerke, die den Vergleichsdruck anfeuern, FOMO-Ängste schüren, Fake News und Hassreden transportieren.
Burn-outs bei Jungen, Cybermobbing, Depressionen: Es ist nicht einfach, mit einem Smartphone aufzuwachsen.
Stärkere Kontrollen sind nötig
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Die Digitalisierung ist ein riesiger Gewinn für unsere Gesellschaft. Aber ich bin der Meinung, wir müssen die Schattenseiten besser ausleuchten. Zum Beispiel mit obligatorischen Schulungen für Eltern.
Oder standardmässiger Kindersicherung, die automatisch eingebaut wird in den Smartphones. Mit stärkeren Kontrollen der Zugriffsberechtigung auf Plattformen – durch Hinterlegen der ID zum Beispiel.
Es gibt viele Möglichkeiten. Swisslos zahlt ein für die Gesundheitsprävention. Das Gleiche sollten auch die Social-Media-Plattformen tun.
Ligretto macht Spass!
Aber die beste Präventionskampagne nützt nicht so viel, wie wenn wir unser eigenes Handeln ändern und als Erwachsene sinnvollen Handykonsum vorleben. Das Smartphone einen Monat lang auszuschalten, kann ein radikaler Weg sein.
Ich möchte eher versuchen, den Handy-Konsum im Alltag zu reduzieren. Danke, haben Sie diese Kolumne gelesen. Jetzt könnten Sie doch Ihr Smartphone kurz zur Seite legen und gucken, ob sich da ein Mensch in ihrem Umkreis befindet.
Vielleicht ist es Ihr Sohn, der gerne mit Ihnen Ligretto spielen möchte. Vielleicht ist es eine Unbekannte, die ein Zulächeln ertragen könnte.