Mieden Schweizer diesen Sommer die Hotspots am Mittelmeer und verreisten stattdessen in den Norden oder im Herbst? Nur die halbe Wahrheit, sagt Martin Wittwer.
Martin Wittwer
Martin Wittwer schreibt die Reisekolumne auf Nau.ch. Er ist Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV). - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Martin Wittwer ist Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV).
  • In der Nau.ch-Reisekolumne nimmt er aktuelle «Reisetrends» unter die Lupe.
  • Wunsch und Realität klaffen weit auseinander, sagt er.
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Wer Anfang Jahr Medien und Social-Media-Kanäle konsultierte, könnte zum Schluss gekommen sein, dass Schweizerinnen und Schweizer die diesjährigen Sommerferien vor allem im Norden verbringen. Oder dass sie die Sommerferien sogar ganz auslassen und erst im Herbst verreisen.

Bilder von überfüllten Stränden und Naturkatastrophen sowie Erinnerungen an den Hitzesommer 2023 sollen offenbar ihre Spuren hinterlassen und zum Umdenken angeregt haben.

Es bleibt mehrheitlich beim Traum

Jetzt, im Nachhinein, kann man sagen, dass diese «Trends» vor allem auf Wunschdenken beruhen.

Eine repräsentative Umfrage von Allianz Partners Schweiz bei Schweizer Reisenden hatte zwar gezeigt, dass tatsächlich viele von Sommerferien in Norwegen oder Kanada geträumt hatten … bei der Buchung gingen gemäss der gleichen Umfrage dann aber trotzdem die üblichen Verdächtigen als Gewinner hervor. Italien, Frankreich und Spanien, gefolgt von anderen Klassikern wie Griechenland und der Türkei waren auch diesen Sommer klar am deutlichsten nachgefragt.

Warst du diesen Sommer im Ausland?

Als zusätzliche Trends bei den im Reisebüro gebuchten Ferien zeigten sich diesen Sommer zwar tatsächlich auch Skandinavien und Nordamerika, gemessen am Gesamtvolumen aber wahrscheinlich nur knapp im zweistelligen Bereich.

Fakt ist: Das Geschäft mit den Badeferien im Sommer ist nach wie vor das umsatzstärkste der gesamten Branche.

Bucht auf Mallorca.
Mallorca hat viele traumhafte Buchten zu bieten und ist immer eine (Wochenend-) Reise wert. - Depositphotos

Herbst wächst, aber nicht auf Kosten des Sommers

Auch die Aussage, dass der Herbst den Sommer ersetzt, kann ich so nicht stehen lassen. Sommerferien wurden 2024 gleich oft gebucht wie im Vorjahr. Für den Herbst erwarten wir für die Branche ein Umsatzwachstum von fünf bis zehn Prozent über Vorjahr. Es müsste also nicht heissen «Herbst statt Sommer», sondern eher «sowohl als auch».

Wie weit Traum versus Realität auseinandergehen, lässt sich am besten am Beispiel von Mallorca zeigen. Über Monate dominierten in den Medien Bilder von protestierenden Einheimischen. Die Inselbewohner zeigten sich der Touristenmassen und Ballermänner überdrüssig und griffen auch mal zur Wasserpistole, um die unliebsamen Gäste zu vertreiben.

Auf die Buchungszahlen wirkte sich diese Negativwerbung aber nicht aus – eher im Gegenteil. Mallorca wird dieses Jahr wieder einen Besucherrekord erreichen. Bei den Gästen aus der Schweiz dürften es rund fünf Prozent mehr sein als im bisherigen Rekordjahr 2017.

Alles in allem zeigt dies für mich, dass die meisten Reisenden zwar durchaus von Reisen in die Einsamkeit des Nordens träumen, bei der Buchung dann aber trotzdem auf das Bewährte zurückgegriffen wird.

Dass sich Faktoren wie Klimaerwärmung und Overtourismus künftig auf das Reiseverhalten auswirken werden, steht fest. Wie genau, wird sich aber erst noch zeigen.

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