Lust-Kolumne: Erfüllendes Sexualleben ist lernbar
Lust, Stress und Intimität: ein Balanceakt, den wir zu bewältigen haben. Aber: Ein gutes Sexualleben ist lernbar. Eine Kolumne.
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Das Wichtigste in Kürze
- Täglicher Druck kann die Lust auf Sex ersticken.
- Es gibt Wege, die Lust wieder zu erwecken.
- Hier kommen Tipps und Tricks von Sexualberaterin Sandra Torokoff.
Sexualität begleitet uns durch das Leben. Sie verändert sich im Laufe der Jahre. Beeinflusst durch zahlreiche Faktoren wie Stress, Lebensumstände oder der Entwicklung des eigenen Körpers.
In längeren Beziehungen ist das Thema Lust und Unlust besonders präsent.
Sex nach anstrengendem Tag?
Wer kennt es nicht? Man kommt nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag nach Hause und hat irgendwie keine Energie für jenes, was früher mal selbstverständlich war: Intimität mit dem Partner oder der Partnerin.
Stattdessen greift man zur Fernbedienung, einem Buch oder gönnt sich eine Auszeit auf der Couch. Obwohl man sich doch eigentlich danach sehnt, Nähe zu erleben.
Doch warum ist das so? Warum ist da keine Lust mehr auf Sex?
Alles ist zu viel
Immer wieder hört man von Paaren, dass der tägliche Druck, sei es beruflich oder familiär, einfach zu viel wird, um danach auch noch Energie für Intimität zu haben. Kinder, To-do-Listen, Verpflichtungen – all das kann die Lust auf Sex also einfach ersticken.
Warum finden wir Energie für alles andere, aber nicht für die Nähe zu unserem Partner oder unserer Partnerin? Ist es tatsächlich so, dass wir den Alltagsstress lieber mit anderen Aktivitäten kompensieren? Etwa, weil diese weniger anstrengend sind?
Stress und seine Auswirkungen auf die Lust
Stress ist ein zweischneidiges Schwert. Da ist der positive Stress, der uns motiviert, uns anspornt und einen Schub an Energie bringt.
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Vielleicht ist es der Aufregungstag vor einer Hochzeit oder der erste Arbeitstag an einem neuen Arbeitsplatz – ein Stress, der uns euphorisch und lebendig macht und uns zu Höchstleistungen antreibt. Dieser Stress kann sogar die Lust anregen.
Anders sieht es mit negativem Stress aus: Dieser entsteht im Alltag oder bei der Arbeit meist durch dauerhafte, wiederkehrende Belastungen.
Wenn Sex nicht mehr so einladend wirkt
Wir sind gefordert, dies raubt uns Energie. Der Körper reagiert, es entstehen Anspannungen im Körper. Es kann durchaus passieren, dass unser Körper (Hirn) Anspannung über die Zeit vor allem mit Arbeit verbindet.
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Wenn jetzt noch hinzukommt, dass viele von uns sich durch den persönlichen sexuellen Lernprozess angewöhnt haben, in hoher Körperspannung Sex zu haben, wirkt es nicht verwunderlich, dass Sex plötzlich nicht mehr so einladend wirkt. Und nicht an oberster Stelle der Entspannungsliste seht.
Die Folge: Es scheint uns unlogisch, Anstrengung mit noch mehr Anstrengung zu kompensieren.
Was tun gegen Unlust?
Es gibt aber durchaus Wege, die Lust wieder neu zu erwecken. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Kommunikation!
Oft fällt es uns nicht leicht, in der Beziehung offen über das Thema Sex zu sprechen. Wir haben vielleicht Angst, uns zu blamieren? Oder unseren Partner zu enttäuschen? Doch genau dieses Schweigen kann Unlust verstärken.
Dabei schafft miteinander reden wichtige Klarheit: Was mag ich? Was stresst mich? Was tut uns gut?
Weiter kann es helfen, Zeit zu zweit aktiv einzuplanen. In einer hektischen Welt müssen wir lernen, uns bewusst Zeit für unsere Beziehung zu nehmen.
«Appetit kommt mit dem Essen»
Das Sprichwort «Der Appetit kommt mit dem Essen» kann auch bei der Sexualität zutreffen. Manchmal reicht es als Anstoss, sich einfach mal nackt ins Bett zu legen und sich gegenseitig zu halten. Ohne Zwang oder Erwartungen.
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die eigene Körperwahrnehmung. Wie bereits erwähnt, tragen viele von uns eine hohe Körperspannung mit sich, oft auch während dem Sex. Das passiert bewusst – oder unbewusst,
Sexuelles Erleben intensivieren
Wir haben uns an bestimmte Bewegungsabläufe, Berührungen oder Positionen gewöhnt. Veränderungen können dabei helfen, das sexuelle Erleben zu intensivieren.
Schon kleine Veränderungen in der Art und Weise, wie wir uns im Bett bewegen, können grosse Auswirkungen auf das Lustempfinden haben.
Das bedeutet nicht nur, neue Stellungen auszuprobieren, sondern auch, den Rhythmus und die Intensität zu variieren.
Manchmal reicht es, etwas langsamer oder schneller zu sein oder die Bewegungen anders zu koordinieren, um einen neuen Reiz zu erzeugen.
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Neue Wahrnehmung
Manche Menschen bevorzugen eine sanfte, zärtliche Berührung. Während andere mehr Intensität brauchen.
Es kann spannend sein, während dem Sex oder bei der Selbstbefriedigung verschiedene Berührungsarten auszuprobieren: mal zärtlich, mal fester, mal langsamer, mal schneller. All dies kann zu einer völlig neuen Wahrnehmung führen.
Ein dynamischer Prozess
Sexualität ist ein dynamischer Prozess, der sich über die Jahre verändert und von vielen Faktoren beeinflusst wird – von körperlichen, emotionalen und gesellschaftlichen.
Man sollte Unlust nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen!
Stattdessen könnte es doch eine Einladung sein, uns selbst und unseren Partnern gegenüber ehrlich zu sein, die eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren. Und neue Wege zu finden, Intimität zu erleben.
Denn: Ein erfüllendes Sexualleben ist durchaus lernbar.
Zur Person: Die Bernerin Sandra Torokoff ist Beraterin rund um das Thema Sexualität, hat zwei Kinder und ist verheiratet.