Stop Hate Speech: «Geh zurück an den Herd, wo du hingehörst»
Hass gegen Frauen im Internet ist vulgärer als Hass gegen Männer. Ein Gastbeitrag von Jessica King über Diskriminierung von Frauen im Netz.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer wieder werden Menschen online diskriminiert und belästigt.
- Bei Frauen zeigt sich dieser Hass vulgärer und sexualisierter als bei Männern.
- Die digitale Welt sollte und kann freundlicher werden. Ein Gastbeitrag.
Vor drei Jahren flog in Frankreich die «Ligue du LOL» auf. Diese «Liga» bestand aus rund 30 Journalisten, Werbern und Grafikern, die vor allem auf Twitter anonym Menschen belästigten. Die beliebtesten Opfer waren Frauen – vor allem dann, wenn die Frauen der Gruppe zu dick waren, feministische Tweets verfassten oder gegen Rassismus schrieben.
Die «Ligue» hat Fotomontagen von den Köpfen der Frauen und den Körpern von Pornodarstellerinnen gebastelt und frei verbreitet. Sie hat die Frauen mit sexistischen und abwertenden Tweets bombardiert, hat sie sogar angerufen und die heimlich aufgezeichneten Telefonate online gestellt. Die Gruppe selbst verteidigte sich damit, dass man «bloss Witze» gemacht hätte.
Es ist zu einfach, die «Ligue» als Einzelfall abzutun. Klar, ihr Verhalten ist verwerflich. Aber es entspricht klassischen Mustern von Hassrede und ist im Kern deshalb nichts anderes als eine konzentrierte Dosis der stets präsenten Diskriminierung von Frauen im Netz.
Hass für Frauen anders als für Männer
Frauen werden nicht unbedingt öfter als Männer mit Hass konfrontiert. Aber sie werden definitiv anders angefeindet. Der Hass ist sexualisiert, vulgär oder sexistisch – die Frauen erhalten Vergewaltigungsandrohungen und werden auf ihren richtigen Platz am Herd oder im Bett verwiesen. (Auch ich habe bereits üble Nachrichten erhalten, die genau das von mir fordern.)
Laut der Forscherin Lea Stahel von der Universität Zürich hat diese Art Hass direkte Folgen: Frauen ändern ihr Verhalten stärker als Männer. Sie ziehen sich aus der digitalen Welt eher zurück – etwa auf Social Media – und vermeiden es, Texte zu schreiben, die zu Hasskommentaren führen könnten.
Die Folge ist, dass soziale Netzwerke für einen grossen Teil der Bevölkerung weniger zugänglich sind. Frauen, die in der Öffentlichkeit ohnehin schon unterrepräsentiert sind, ziehen sich noch mehr zurück. Das ist gefährlich, denn eine Demokratie kann nur existieren, wenn alle Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit haben, sich frei am Diskurs zu beteiligen.
Wenn sich Frauen aus der Öffentlichkeit zurückziehen, weil sie sich vor sexualisiertem Online-Hass fürchten, ist das ein riesiger Verlust für unsere digitale Diskussionskultur.
Was tun gegen Hass im Netz?
Die gute Nachricht ist, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Online-Hass auszubremsen.
Wenn nicht nur Trolle kommentieren, sondern die schweigende Masse öfters Gegenwehr gibt, könnte die digitale Welt frauenfreundlicher werden. Wie es die Uni Bern getan hat: Drei ihrer Forscherinnen wurden nach einem Auftritt im SRF-Format «Einstein» mit hässlichen sexistischen Nachrichten eingedeckt.
Anstatt den Ball flachzuhalten und damit zu riskieren, dass die Expertinnen sich weniger in der Öffentlichkeit exponieren, hat die Uni reagiert und auf Twitter ein Statement veröffentlicht: «Nach der SRF-Sendung ‹Einstein› über Forscherinnen in den Naturwissenschaften erhielten unsere Wissenschaftlerinnen zum Teil sehr üble und beleidigende Kommentare. Das ist inakzeptabel. Wir stehen hinter unseren Forscherinnen und wehren uns mit ihnen.»
Es ist wichtig, gegen sexistischen Hass einzustehen und angegriffenen Frauen den Rücken zu stärken. Es ist ebenso wichtig, das Problem des Hasses gegen Frauen in die Öffentlichkeit zu tragen.
Nicht zuletzt braucht es dringend eine Gesetzesänderung, damit sexistische Aufrufe zu Gewalt und Diskriminierung strafbar werden. Nur so können wir diese Epidemie an Hate Speech gegen Frauen gemeinsam eindämmen und die digitale Diskussion für alle wieder öffnen.
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Hinweis: Das Projekt Stop Hate Speech von Alliance F (stophatespeech.ch) wehrt sich gegen Hass im Netz. Hilf mit, gegen dieses gesellschaftliche Problem anzukämpfen!