Vegan: Angst vor dem Vegi-Schnitzel?
Auf dem Menüplan der Luzerner Uni sucht man Fleischgerichte vergebens. Der Entscheid ist zu einem Politikum von nationaler Bedeutung geworden. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Klimawandel beeinflusst unser Leben mittlerweile spürbar.
- Die industrielle Tierproduktion ist ein wichtiger Treiber des Klimawandels.
- Die Universität Luzern nimmt ihre Verantwortung in diesem Bereich wahr.
- Ein Gastbeitrag von Silvano Lieger, Geschäftsleiter Sentience Politics.
Erst vor Kurzem hat der Weltklimarat (IPCC) seinen neuesten Bericht über die aktuelle Lage der weltweiten Klimakrise veröffentlicht. Die Resultate waren mehr als ernüchternd: Der Klimawandel ist weit fortgeschritten. Die extremen Wetterlagen nehmen schneller zu als erwartet und intensivieren sich konstant.
Das IPCC-Team aus führenden Klimaexpert:innen stellt fest, dass der Klimawandel sich auf sämtliche Regionen der Erde auswirkt. Und, dass die klimatischen Veränderungen, die wir bereits heute erleben, mit einer weiteren Erwärmung noch stärker zunehmen werden.
Diesen Sommer brannten die Wälder in Sizilien, Sardinien, Griechenland, der Türkei und selbst in Kanada. Mit 48,8 Grad Celsius wurde in Sizilien die heisseste Temperatur in der Geschichte Europas gemessen. Gleichzeitig starben diesen Juli in Deutschland mindestens 180 Menschen in einer Flut-Katastrophe, die durch extremen Starkregen ausgelöst wurde.
Daraus lässt sich nur eine Konsequenz ableiten: Diese Katastrophen sind menschengemacht. Wir stehen in der Verantwortung. Unsere Emissionen müssen dringend sinken.
Die Rolle der Tierproduktion
In der Schweiz sind 85 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen mit der Tierproduktion verknüpft. Zudem können über 30 Prozent der von Schweizer:innen verursachten Umweltbelastungen auf die Ernährung zurückgeführt werden.
Die renommierte EAT-Lancet-Kommission hat 2019 festgestellt, dass durch eine vermehrt pflanzliche Ernährung die globalen landwirtschaftlichen Emissionen um bis zu 80 Prozent gesenkt werden könnten.
Auch wenn wir diese Zahlen als unangenehm wahrnehmen, lässt sich die Faktenlage nicht ändern: Wir essen zu viel Fleisch und dieser Konsum hat einen negativen Einfluss auf das Klima.
Durschnittsschweizer:innen verspeisen aktuell über 50 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Das ist dreimal mehr, als vom Bund empfohlen. Es ist eine Tendenz, die mit bundeseigenen Nachhaltigkeitszielen nicht zu vereinbaren ist.
Die Politik verdrängt die Dringlichkeit des Wandels
Nun nimmt sich die Universität ihrer Verantwortung an und nimmt Fleisch und Fisch aus dem Mensa-Angebot. Stattdessen kommt nun vegetarische und vegane Kost auf den Teller, die vorwiegend saisonal und regional, sowie nährstofftechnisch ausgewogen ist.
Das bringt die SVP und FDP auf die Palme. Exponent:innen beider Parteien möchten sich mit Vorstössen gegen die «Bevormundung» durch die Luzerner Mensa wehren. Obwohl bei beiden Parteien die Personen, welche die Vorstösse einreichen, nicht von der Entscheidung tangiert sind.
Dass die SVP sich wehrt, ist besonders ironisch. Denn obwohl sich die Partei als Vertreterin des Volkes darstellt, widersetzt sie sich mit dem Vorstoss der Mehrheit der Luzerner:innen. Mit knapp 60% Ja-Stimmenanteil stimmte die Luzerner Bevölkerung 2018 der Teilrevision des Energiereglements zu. Darin stand u.a., dass die Stadt «einen Beitrag zur Reduktion des mit der Ernährung (...) verbundenen Energie- und Ressourcenverbrauchs» leistet.
Aber auch die Argumentationsweise der FDP zieht nicht: Sie schreibt, dass eine Einschränkung der Konsumfreiheit durch staatliche Bevormundung verhindert werden müsse. Den Studierenden bietet sich allerdings auch mit dem veränderten Menüplan der Mensa die Möglichkeit Fleisch zu essen: Es gibt nämlich einen Foodtruck mit Fleischgerichten direkt vor dem Uni-Gebäude.
Gleichzeitig steht es ihnen natürlich frei, ihr eigenes Essen mitzubringen. Oder zu einer Dönerbude zu spazieren oder ein Schinken-Sandwich in der Bäckerei zu kaufen. Um die Gestaltung des Mittagessens zudem zu erleichtern, sind die Vegi-Menüs immer schon Tage zuvor auf der Website ersichtlich.
Die Studierendenorganisation selbst hat sich im Übrigen wohlwollend zur Entscheidung der Uni geäussert. Aus ihrer Sicht ist diese «zukunftsorientiert» und die Rückmeldungen der Studierenden seien «überwiegend positiv».
Was SVP und FDP machen, ist deshalb genau das, was sie kritisieren: Sie sehen die Studierenden nicht als mündige Mitbürger:innen an, die zu einer unabhängigen Meinungsbildung in der Lage sind und entsprechend aufgeklärt handeln können.
Was passiert jetzt?
Es ist damit zu rechnen, dass die Wogen sich in den kommenden Wochen glätten und das vegetarische Mensa-Angebot der Universität Luzern Bestand haben wird. Dieser richtungsweisende Entscheid muss in sämtlichen wichtigen Bildungsinstitutionen der Schweiz nicht zur zum Nachdenken, sondern zum Handeln anregen.
Universitäten – als Institutionen, die sich der Wissenschaftlichkeit und dem Fortschritt verschrieben haben – stehen in der Pflicht, den Einfluss unserer Ernährung auf unser Klima ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln.
Die immer offensichtlicheren Anzeichen des Klimawandels machen klar, dass der Status Quo nicht aufrechterhalten werden kann – umso schöner, wenn diese Veränderung mit einem leckeren, preiswerten und gesunden Mittagessen beginnt.
Vielleicht ist es an der Zeit, dass Luzerner SVP- und FDP-Politiker:innen über den Tellerrand hinausschauen und sich aktiv für einen lebenswerten Planeten einsetzen. Aktuell nehmen sie sich eher Zeit, diejenigen zu bekämpfen, die Verantwortung übernehmen und den Erkenntnissen der Wissenschaft folgen.
Dass das auf lange Sicht nicht gut gehen kann, wissen wir alle. En Guete!