Coronavirus: So schlimm trifft es die Entwicklungsländer
Ein Lockdown, der bei uns gegen das Coronavirus hilft, bringt in Entwicklungsländer Kinder in Gefahr. Warum das so ist, erklären uns drei NGOs.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Coronavirus verschlimmert die Situation in Entwicklungsländern.
- Nau.ch sprach mit drei NGOs über die Herausforderungen.
Das Coronavirus betrifft uns alle. Es ist eine globale Gesundheitskrise, die den Alltag unserer Gesellschaft stark verändert. Die Auswirkungen für Drittweltländer sind jedoch anders als jene in Industriestaaten.
In dieser virtuellen Diskussion geht Nau.ch darauf ein, wie das Coronavirus Menschen, insbesondere Kinder in armen Ländern, trifft. Im Gespräch sind drei Geschäftsführer von verschiedenen Hilfswerken: Suba Umathevan, CEO, Plan International Schweiz, Christoph von Toggenburg, CEO, World Vision Schweiz und Ömer Güven, CEO, Save the Children.
Lockdown hat in Entwicklungsländern viele negative Folgen
Ein wichtiger und einschneidender Unterschied betrifft das Social Distancing und die Lockdown-Massnahmen. Bei uns sind sie elementar im Kampf gegen das Coronavirus - in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern jedoch nicht gleich umsetzbar.
«Social Distancing ist in Slums oder Flüchtlingslagern schlicht ein Ding der Unmöglichkeit», erklärt Ömer Güven, CEO von Save the Children. Aber auch Lockdowns haben weitreichende negative Folgen: Vielen Menschen leben von der Hand in den Mund. Können sie nicht mehr arbeiten, geht es nicht lange, bis ihre gesamte Familie Hunger leiden muss.
Wenn Kinder nicht zur Schule können, droht ihnen Gewalt
Am Schlimmsten jedoch trifft es die Schwächsten der Gesellschaft: Kinder. Wenn sie nicht mehr in die Schule können, wird ihnen einen grossen Teil der Lebensgrundlage entzogen. Denn die Schule ist für viele ein sicherer Ort. Sie erhalten dort oft die einzige warme Mahlzeit pro Tag und sind dort keiner Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgeliefert.
«In Kibera, dem grössten Slum in Afrika, erhalten Mädchen Binden von der Schule», zeigt Umathevan auf. Ist die Schule zu, fehlen auch diese notwendigen Hygienemittel.
Plan International Schweiz befürchtet durch die Krise einen Rückschlag, in Bezug auf jahrelange Fortschritte in der Entwicklungszusammenarbeit: «Es ist allgemein ein Kampf, Mädchen in die Schulde zu bekommen. Wir befürchten nun, dass viele Mädchen, die zurzeit aufgrund des Coronavirus’ die Schule aussetzen, nie mehr zurückkehren werden.»
Hier gibt es das Interview in voller Länge:
5 Millionen Kinder wegen Coronavirus bereits unterernährt
Aber nicht nur in Bezug auf die Schule leiden Kinder besonders. Christoph von Toggenburg, CEO, World Vision Schweiz bestätigt die schlimme Situation anhand von Zahlen.
«26 Millionen Kinder erhalten zurzeit keine Impfungen. Fünf Millionen Kinder sind bereits unterernährt, da ihre Eltern aufgrund des Lockdowns nicht mehr genügend Nahrungsmittel kaufen können. Und wegen fehlenden Malaria-Behandlungen werden Schätzungen zufolge dieses Jahr ca. 100'000 Kinder mehr sterben.»
Lehren aus Ebola-Krise ziehen
Für viele Entwicklungsländer ist das Coronavirus jedoch nicht die erste Gesundheitskrise. Die NGOs konnten zum Beispiel vom Ebola-Virus elementare Erfahrungen sammeln.
Ganz wichtig ist die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung und religiösen Meinungsführern. Diese geniessen grosse Akzeptanz bei den Leuten. Wenn sie Empfehlungen zu Hygiene- oder Distanzmassnahmen abgeben, hält sich die Bevölkerung meist dran.
Damit das Coronavirus in Schwellen- und Entwicklungsländern nicht in einer humanitären Katastrophe endet, haben die NGOs diverse zusätzliche Programme hochgefahren. Der Fokus wird dabei grösstenteils auf die Gesundheit und den Schutz der Kinder gelegt.