Rätsel um Getreidefrachter «Razoni» geht weiter
Ein ukrainischer Getreidefrachter hat überraschend in einem türkischen Hafen angelegt. Eigentlich hätte er nach Syrien fahren sollen.
Das Wichtigste in Kürze
- Statt in Libyen oder Syrien hat ein ukrainischer Getreidefrachter in der Türkei angelegt.
- Weshalb, ist nicht bekannt.
- Das Schiff hatte Odessa als erster Frachter nach Aufhebung der Export-Blockade verlassen.
Das mit ukrainischem Getreide beladene Frachtschiff «Razoni» hat unerwartet vor dem türkischen Hafen in Mersin geankert. Das zeigten die Schiffsortungsdienste vesselfinder.com und marinetraffic.com am Dienstag.
Eigentlich sollten die 26'000 Tonnen Mais in den libanesischen Hafen Tripoli und von dort nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur weiter ins benachbarte Syrien transportiert werden. Etwa einen Tag vor Ankunft änderte das Schiff dann seinen Kurs.
Die «Razoni» hatte den ukrainischen Schwarzmeer-Hafen Odessa vor einer Woche verlassen - als erstes Schiff nach Ende einer Getreide-Blockade Russlands.
Nach einer Inspektion in Istanbul steuerte sie zuerst den Libanon an, erklärte als neues Ziel dann aber unerwartet «Order», also einen unbestimmten Ort, von dem aus ein Händler die geladene Ware dann bestellt.
Käufer abgesprungen?
Seit Samstag lag die «Razoni» nahe der türkischen Küste bei Iskenderun vor Anker - und machte sich laut Marinetraffic dann in der Nacht zum Dienstag auf in Richtung des Hafens von Mersin. Der Hafenbetreiber war vorerst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Die ukrainische Botschaft im Libanon teilte am Montagabend unter Berufung auf die Spediteure mit, der Käufer sei abgesprungen - unter Verweis auf eine fünf Monate lange Wartezeit. Man sei auf der Suche nach einem neuen Empfänger im Libanon oder anderswo. Dass die «Razoni» ihren Zielort kurz vor Ankunft geändert habe, sei aber «etwas seltsam», sagte ein Sprecher von Marinetraffic.
Libanesische Regierungsvertreter hatten der dpa zuvor gesagt, Händler hätten wohl einen Teil der erwarteten Mais-Ladung vom Libanon ins benachbarte Syrien bringen wollen. Der Export von Lebensmitteln nach Syrien ist legal, wird aber erschwert durch Finanzsanktionen des Westens gegen die syrische Regierung. Die Hisbollah etwa schmuggelt in grossem Stil unter anderem Lebensmittel und Medizin nach Syrien und kontrolliert auch die meisten illegalen Grenzübergänge.
Beobachter im Libanon machte die grosse Ladung Mais ebenfalls stutzig, die angeblich gemahlen und an Tiere verfüttert werden sollte. Der Libanon brauche in seiner schweren Wirtschafts- und Lebensmittelkrise Weizen, keinen Mais, sagte Hani Buschali, Präsident des libanesischen Konsortiums für Lebensmittelimporte. Möglich schien auch, dass der angedachte Transport nach Syrien platzte - wegen der grossen medialen Aufmerksamkeit für die «Razoni».