Vincenz und Stocker im Raiffeisen-Prozess schuldig gesprochen
Die Justiz hat entschieden: Pierin Vincenz und Beat Stocker sind schuldig. Beiden Angeklagten drohen mehrjährige Haftstrafen.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Bezirksgericht Zürich hat im Fall Pierin Vincenz ein Urteil gefällt.
- Pierin Vincenz wurde schuldig gesprochen und muss 3 Jahre und 9 Monate ins Gefängnis.
- Auch Beat Stocker ist schuldig und erhält eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren.
Nach einem langen Prozess kam das Gericht zur Entscheidung. Pierin Vincenz und Beat Stocker wurden schuldig gesprochen. Ihnen drohen mehrere Jahre Haft. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.
Das Gericht hat nach dem Monsterprozess rund um den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz sein Urteil gefällt: Pierin Vincenz wurde schuldig gesprochen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung in mehreren Fällen, wie die «NZZ» berichtet. Er erhält eine Freiheitsstrafe von 3 Jahre und 9 Monaten und 280 Tagessätze zu 2000 Franken (insgesamt 560'000 Franken).
Sein Anwalt, Lorenz Erni, hat beim Verlassen des Gerichts bereits angekündigt, Berufung einlegen zu wollen. Das Urteil sei falsch.
Richter Sebastian Aeppli habe das Strafmass wie folgt begründet: 30 Monate für den Fall Investnet, 12 Monate für GCL sowie jeweils 6 Monate für Commtrain und Eurokaution. Wegen der massiven Vorverurteilung in den Medien habe der Richter die Strafe um 9 Monate gesenkt.
Beat Stocker zu Freiheitsstrafe verurteilt
Auch Beat Stocker wurde schuldig gesprochen wegen versuchten Betrugs, mehrfacher ungetreue Geschäftsbesorgung und passiver Privatbestechung. Die Freiheitsstrafe fällt mit 4 Jahren höher aus. Dazu kommen 160 Tagessätze zu 3000 Franken (insgesamt 480'000 Franken).
Er ahnte bereits vor der Urteilsverkündung, dass diese nicht zu seinen Gunsten ausfallen könnte. Gegenüber Nau.ch sagte er bei seinem Eintreffen: «Mein Kopf ist klar und sehr selbstbewusst, doch der Bauch ist unsicher.» Er beklagte sich auch über die Energie zum Verurteilen und «draufbashen», die er rund um den Prozess wahrgenommen hat.
«Das Urteil ist hammerhart und damit haben wir nicht gerechnet», sagt Beat Stocker nach der Urteilsfindung. «Krux ist die Bestechung, dass das Gericht davon ausgeht, dass in allen Sachverhalten Bestechung stattgefunden hat.» Deswegen komme das Urteil so wuchtig daher. Durch die Bestechung würden automatisch alle Transaktionen herausgabepflichtig.
Ob eine Vorverurteilung durch die Medien stattgefunden habe, könne Stocker nicht beurteilen. «Ich dachte, es werde nach objektiven Sachverhalten und juristisch beurteilt. Aber es scheint einen Einfluss gehabt zu haben.»
Schadenersatz in Millionenhöhe
Die Hauptbeschuldigten Vincenz und Stocker müssen den geschädigten Firmen ausserden Schadenersatz in Millionenhöhe bezahlen. Der genau Betrag steht noch nicht fest. Ausserdem kommen Gerichtskosten von rund 200'000 Franken auf sie zu.
Das Gericht hat auch die Mitangeklagten schuldig gesprochen. Andreas Etter ist schuldig der aktiven Privatbestechung sowie Gehilfenschaft zu qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung. Ferdinand Locher ist schuldig der aktiven Privatbestechung und Gehilfenschaft. Stéphane Barbier-Mueller wird wegen aktiver Privatbestechung sowie der Gehilfenschaft bei ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt.
Gegen Peter Wüst sei gemäss «NZZ» das Verfahren eingestellt worden. Der Angeklagte sei wegen einer Krankheit nicht mehr verhandlungsfähig.
Staatsanwaltschaft forderte 6 Jahre Gefängnis
Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel hatte das Vorgehen von Pierin Vincenz und Beat Stocker in den ersten Prozesstagen als dreist bezeichnet. Er forderte sowohl für Pierin Vincenz als auch für Beat Stocker eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren.
Der Staatsanwalt zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. Das Gericht habe ein differenziertes und kritisches Urteil gefällt. Die Anklage sei in den wesentlichen Punkten durchgerungen. Die Strategie der Anklagebehörden sei in der ersten Instanz somit aufgegangen.
Ob er ebenfalls an die zweite Instanz gelangt und dort eine Verschärfung der Strafen fordert, ist noch offen. Er warte das schriftliche Urteil und das Verhalten der anderen Parteien ab.
Die beiden Privatklägerinnen Aduno (heute Viseca) und Raiffeisen schlossen sich den Punkten der Staatsanwaltschaft grösstenteils an. Aduno macht zusammen mit der Privatklägerin Raiffeisen die beiden Hauptangeklagten für einen Schaden von insgesamt 25 Millionen Franken verantwortlich. Dieses Geld forderten sie zurück.
Die Anwälte hingegen lehnten sämtliche Vorwürfe gegen ihre Mandanten ab. Die Verteidiger der beiden Hauptangeklagten sprachen sich für einen vollumfänglichen Freispruch aus. Zudem forderten sie eine symbolische Entschädigung. Einen Freispruch fordern auch die Verteidiger der weiteren Mitangeklagten.
Pierin Vincenz stets mit Lächeln im Gesicht
Somit ist einer der grössten Finanzprozesse in der Geschichte der Schweiz zu Ende. Acht volle Verhandlungstage verteilt auf zwei Monate dauerte das Gerichtsverfahren.
Trotz der schweren Vorwürfe war Pierin Vincenz stets mit einem Lächeln im Gesicht zu den Prozesstagen erschienen. Im Gerichtssaal selbst zeigte er sich eher abwesend, ausser er selbst erhielt das Wort.
Am Rednerpult gab Vincenz zu, in den vergangenen 20 Jahren Fehler gemacht zu haben: «Ich habe auch mal übertrieben». Dennoch war er der Ansicht, nichts Unrechtmässiges getan zu haben. Deshalb ersuchte auch der ehemalige Raiffeisen-Chef das Gericht um einen Freispruch.