Werden Masken aus Zwangsarbeit in der Schweiz verkauft?
US-Journalisten haben aufgedeckt: Chinesische Masken-Hersteller setzten auf Zwangsarbeit. Ob solche Exemplare auch in die Schweiz gelangt sind, ist unklar.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Teil der Hygienemasken wird unter Zwangsarbeit hergestellt.
- Die Armeeapotheke kennt nicht bei Herstellern die Umstände der Produktion.
- Detailhändler geben an, dass Lieferanten soziale Standards einhalten müssen.
Die Corona-Krise führte zu einem Masken-Engpass. Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Auf einen Schlag mussten Millionen Masken bestellt werden – wo? In China natürlich.
Das Reich der Mitte war bereits vor der Krise wichtiger Maskenproduzent. Und weil die Nachfrage rapide anstieg, schossen dort Masken-Fabriken wie Pilze aus dem Boden.
In der Provinz Xinjiang produzierten vor der Corona-Krise vier Unternehmen medizinische Schutzausrüstung. Mittlerweile sind es 51.
Das Problem: Wie die «New York Times» berichtet, arbeiten in mindestens 17 dieser Unternehmen Uiguren aus Umerziehungslager.
Bei den Uiguren handelt es sich um eine mehrheitlich muslimische Minderheit, welche im Reich der Mitte lebt. Über eine Million von ihnen sind in sogenannten Umerziehungslagern eingesperrt.
Wegen des Glaubens eingesperrt
Lange hat die chinesische Regierung um Xi Jinping die Existenz der Lager abgestritten. Mittlerweile steht Peking dazu und argumentiert, dass es sich bei den Insassen um Fundamentalisten und Straftäter handle.
Diese würden in den Lagern «Resozialisierungsprogramme» durchlaufen. Nur: Gemäss Whistleblowern werden muslimische Uiguren allein wegen ihres Glaubens eingesperrt.
Laut Peking seien die Uiguren dankbar, in den Masken-Fabriken arbeiten zu dürfen. Dem hält Menschenrechtsaktivistin Amy Lehr vom Center For Strategic and International Studies in der «New York Times» entgegen: «Diese Arbeiter gehen nicht freiwillig in die Fabriken. Das muss an internationalen Massstäben gemessen als Zwangsarbeit betrachtet werden.»
Masken aus Zwangsarbeit in den USA
Die Zeitung konnte zwei Lieferungen nachverfolgen, bei denen Masken aus Zwangsarbeit in die USA und nach Brasilien verschifft wurden. Sind diese Masken etwa auch in der Schweiz gelandet?
Für die hiesige Bevölkerung hat die Armeeapotheke zu Beginn der Coronakrise 306 Millionen Masken eingekauft. Diese wurden über die grossen Detailhändler, Apotheken und Drogerien vertrieben. Die Mehrheit davon stamme aus China, heisst es auf Anfrage von Nau.ch.
Bei der Bestellung entschieden primär Qualitätsmerkmale. So wurden nur zertifizierte und zugelassene Produkte beschafft, wie VBS-Sprecherin Carolina Bohren erklärt. «Die Masken wurden sowohl über Zwischenhändler, als auch direkt von Produzenten, die teilweise von der Schweizer Botschaft empfohlen wurden, eingekauft.»
VBS kennt Umstände der Produktion nicht immer
Die Handelspartner seien überprüft worden, manchmal auch die Produktionsstätten. «Wir kennen aber nicht von allen Masken die genauen Umstände der Produktion.»
Mittlerweile sind nicht nur Hygienemasken im Umlauf, welche der Bund beschafft hat. Gemäss der Migros sind 95 Prozent davon bereits verkauft.
Sämtliche 50er Packungen hat der orange Riese selbst bestellt – ebenfalls in China. Sprecher Tristan Cerf erklärt, dass Migros-Lieferanten den BSCI-Verhaltenskodex unterzeichnet hätten. Dieser verbietet unter anderem Zwangsarbeit. «Die betroffenen Lieferanten werden entsprechen kontrolliert.»
Bei Coop ist die Lieferung des Bundes bereits aufgebraucht. Sprecherin Marilena Baiatu erklärt, dass die selbst bestellten Masken den gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf Qualität und Zertifizierung entsprächen. «Dies wird von entsprechenden Organisationen vor Ort überprüft.»
Von einer Twitter-Userin mit der Recherche der «NYT» konfrontiert, wird man beim Retail-Giganten konkreter: «Wir haben gemäss aktuellem Kenntnisstand keine betroffene Ware im Sortiment.»
Aldi bestellt nicht in Provinz Xinjiang
Auch Aldi Suisse prüft selbst oder durch Externe, ob die Anforderungen in China erfüllt werden. «Unsere Hygienemasken beziehen wir ausschliesslich von Produktionsstätten ausserhalb der Provinz Xinjiang», sagt Sprecher Philippe Vetterli. Es gebe daher keinen Anlass zur Annahme, dass in diesen Fabriken Zwangsarbeit geleistet werde.
Bei Lidl heisst es, man könne ausschliessen, dass die angebotenen Masken durch Zwangsarbeit hergestellt worden sind. «Die Produktion wurde durch eigene Mitarbeiter aus der Schweiz kontrolliert, zuletzt im Januar 2020», sagt Sprecherin Corina Milz. Auch Lidl beruft sich darauf, dass Lieferanten BSCI-Standards einhalten müssen.
Und wie beurteilen Nichtregierungsorganisationen die Situation? Bei Amnesty International hat man keine Kenntnisse, ob Masken aus Zwangsarbeit in der Schweiz gelandet sind. Geschäftsleiterin Alexandra Karle sagt: «Ich fürchte, dass es nicht ausgeschlossen werden kann.»
Ähnlich klingt es bei der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz. Auf Anfrage von Nau.ch heisst es, dass man dem Thema nachgehen werde.