Bern: «In vitro»-Zoo hilft, SARS-CoV-2 zu verstehen

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Forschende der Universität Bern konnten herausfinden, welche Tiere sich mit SARS-CoV-2 infizieren können.

Die Universität Bern.
Die Universität Bern. - Keystone

Forschende des Instituts für Infektionskrankheiten (IFIK) der Universität Bern und des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) konnten dank innovativer Zellkulturmodelle bestimmen, welche Tiere für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich sind. Das Team fand heraus, dass die Atemwegszellen von Affen und Katzen besonders leicht von SARS-CoV-2 infiziert werden. Dies legt nahe, bei diesen Tieren und nahen Verwandten eine SARS-CoV-2-Überwachung einzuführen.

Können Tiere sich mit SARS-CoV-2 anstecken

Seit Beginn der Pandemie wurde mehrmals berichtet, dass SARS-CoV-2-Übertragungen vom Menschen auf Tiere stattgefunden haben, wie etwa von Tierpflegerinnen und Tierpflegern auf Tiger und Löwen im Bronx Zoo in New York. Bis heute ist jedoch nicht bekannt, welche Tierarten für eine SARS-CoV-2-Infektion besonders empfänglich sind.

Dies liesse sich herausfinden, indem eine Vielzahl von Tierarten experimentell mit SARS-CoV-2 infiziert würde, um zu sehen, ob sie dafür anfällig sind. Um solche Versuche zu reduzieren und zu verfeinern, wählten die Forschenden der Universität Bern und des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) einen tierfreundlicheren Ansatz, um diese Frage zu beantworten.

Bau eines «in vitro»-Zoos

Die Forschenden nutzten ihr Wissen über die Anfertigung von innovativen In-vitro-Zellkulturmodellen von menschlichen Atemwegen, um eine umfangreiche Sammlung ähnlicher Modelle von verschiedenen Haus- und Wildtieren zu erstellen. Dazu isolierte das Team Atemwegs-Epithelzellen (AEC) aus den Lungen und Bronchien von verstorbenen Tieren und erstellte eine Zell-Biobank von verschiedenen Tierarten. Dank dieser spezifischen AEC-Kulturmodellen konnten die Forschenden feststellen, ob die entsprechenden Tiere mit SARS-CoV-2 infiziert werden können.

Keine Tierversuche

Da die Zellen von verstorbenen Tieren isoliert wurden und sich diese isolierten Zellen in einer Petrischale kultivieren und vermehren lassen, waren keine Tierversuche nötig. Bislang enthält die Biobank Zellkulturen von zwölf verschiedenen Tierarten: Rhesusaffe, Katze, Frettchen, Hund, Kaninchen, Schwein, Rind, Ziege, Lama, Kamel und zwei Fledermausarten aus Mittel- und Südamerika.

«Unsere Sammlung ist einzigartig, und bisher sind wir die ersten, die eine so grosse Biobank neuartiger In-vitro-Zellkulturmodelle von verschiedenen domestizierten und wildlebenden Tierarten verwendet haben, um ihre Anfälligkeit für eine SARS-CoV-2-Infektion zu untersuchen», sagt Ronald Dijkman vom Institut für Infektionskrankheiten (IFIK) der Universität Bern.

Katzen und Rhesusaffen als potenzielle «Spillback-Reservoirs» für SARS-CoV-2

Die In-vitro-Ergebnisse stimmten grösstenteils mit zuvor veröffentlichten Studien überein, bei denen Tierversuche verwendet wurden, um die Anfälligkeit verschiedener Tiere für eine SARS-CoV-2-Infektion zu beurteilen. Mittels Sequenzierung des gesamten Genoms des Virus stellten die Forschenden zudem fest, dass sich SARS-CoV-2 in den In-vitro-Modellen von Rhesusaffen und Katzen effizient vermehrte, ohne dass sich das Virus anpassen musste.

Die Ergebnisse

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Affen- und Katzenarten besonders anfällig für eine SARS-CoV-2-Infektion sein könnten. «Unsere Ergebnisse – zusammen mit zuvor dokumentierten Übertragungen zwischen Mensch und Tier – zeigen, dass eine genaue Überwachung dieser Tiere und anderer naher Verwandter notwendig ist, egal ob bei Wild- Nutz- oder Haustieren», sagt Dijkman.

Was folgt aus den Erkenntnissen

Die Erkenntnisse können von den zuständigen Behörden wie dem Schweizer Bundesamt für Gesundheit BAG und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV für die SARS-CoV-2-Überwachung an der Schnittstelle zwischen Mensch und Tier genutzt werden. Insbesondere können sie dazu dienen, Überwachungsprogramme zur Früherkennung einzurichten und anzupassen, um Tiere zu überwachen, die potenzielle «Spillback-Reservoirs» für SARS-CoV-2 sein können.

Dijkman erklärt: «Dadurch können wir verhindern, dass sich in Tieren neue SARS-CoV-2-Varianten entwickeln, die wieder auf den Menschen überspringen, und gegen die aktuelle Impfstoffe möglicherweise keinen Schutz bieten.»

Umsetzung des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) in der Coronavirus-Forschung

Die Ergebnisse zeigen auch, dass fortschrittliche In-vitro-Modelle von Zellen aus den Atemwegen verschiedener Säugetiere als alternative Methode eingesetzt werden können, um das Wirtsspektrum von SARS-CoV-2 zu untersuchen – anders als In-vivo-Versuche, die mehrere Einschränkungen aufweisen.

«Unsere Studie zeigt, dass es viel Potenzial gibt, um Tierversuche in naher Zukunft zu ersetzen, zu reduzieren und zu verfeinern, und ich hoffe, dass unsere Ergebnisse bei grundlegenden Forschungsfragen Forschende, pharmazeutische Unternehmen und Arzneimittelbehörden davon überzeugen werden, innovative und biologisch relevante In-vitro-Modelle zu verwenden, bevor sie Tierversuche durchführen», sagt Dijkman.

Förderer der Studie

Die Studie wurde von der Europäischen Kommission (Marie Sklodowska-Curie Innovative Training Network «HONOURS»), dem Schweizerischen Nationalfonds SNF (Special call on Coronaviruses), dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) unterstützt.

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