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Graubünden stellt eine Studie über Beruf und Milizpolitik vor

Fachhochschule Graubünden
Fachhochschule Graubünden

Chur,

Die Fachhochschule Graubünden hat in einer Studie die Vereinbarkeit von Beruf und Milizpolitik untersucht und Massnahmen entwickelt.

Fachhochschule Graubünden.
Fachhochschule Graubünden. (Archivbild) - Fachhochschule Graubünden

Viele der rund 2'200 Gemeinden in der Schweiz haben grosse Mühe, ihre politischen Ämter mit geeigneten Kandidierenden zu besetzen. Die Rolle der Unternehmen als Arbeitgeber und ihr Einfluss auf das politische Engagement der Mitarbeitenden in Milizämtern wurde bisher kaum wissenschaftlich analysiert.

Das Forschungsprojekt «PoliWork» der FH Graubünden untersucht erstmals die Vereinbarkeit von Beruf und Milizengagement vertieft und entwickelt Massnahmen mit über 50 Praxisbeispielen, die in einem Online-Tool aufbereitet sind.

«Studien zeigen, dass die berufliche Tätigkeit einen grossen Einfluss auf die Entscheidung zur Übernahme eines politischen Milizamts hat – jedoch wurde die Rolle der Unternehmen diesbezüglich kaum untersucht», sagt Curdin Derungs, Projektleiter am Zentrum für Verwaltungsmanagement der FH Graubünden.

«Mit unserem Forschungsprojekt zeigen wir erstmals schweizweit Unternehmensdaten zur Vereinbarkeit von Beruf und politischem Milizamt auf und entwickeln darauf basierend betriebliche Massnahmen.» So könnten diese einen Beitrag zur Förderung des Schweizer Milizsystems leisten.

Vereinbarkeit anhaltend herausfordernd

Methodisch stützt sich das Projekt unter anderem auf eine schweizweite Befragung von fast 1'900 politisch Miliztätigen sowie eine national repräsentative Erhebung bei 500 Unternehmen.

Die Ergebnisse zeigen eine ungebrochen hohe Herausforderung, das politische Engagement in Ämtern mit dem Beruf zu vereinbaren. Besonders Gemeindeexekutiv- und Kantonslegislativmitglieder bringen dies deutlich zum Ausdruck.

Generell ist die Zufriedenheit der Miliztätigen mit den Rahmenbedingungen in ihrem Unternehmen für das politische Engagement jedoch hoch. Sie sehen in ihrer Tätigkeit einen hohen Nutzen – auch zugunsten der Unternehmen.

Diese wiederum teilen diese Einschätzung, aber in vermindertem Masse, vor allem im Bereich Fachwissen und Imagegewinn. Auch sind die politischen Miliztätigen mit der Unterstützung der Arbeitgeber auffallend zufrieden.

Nichtsdestotrotz fordern sie generell ein stärkeres Engagement der Wirtschaft resp. der Arbeitgeber in der Förderung des politischen Milizsystems. Hingegen sehen rund 70 Prozent der befragten Unternehmen keinen Bedarf, das politische Milizsystem spezifisch zu fördern. Nur knapp 9 Prozent nehmen eine aktive Förderrolle ein – weitere 21 Prozent eine passive.

Bekenntnis zum politischen Milizsystem gegeben, mehr Engagement möglich

Das heutige Milizsystem wird auch von den Unternehmen in der Schweiz getragen und als zukunftsfähig erachtet. In erster Linie liegt es in der einzelbetrieblichen Verantwortung, die Vereinbarkeit von Beruf und Milizpolitik zu gewährleisten.

Darin besteht ein breiter Konsens. Staatliche «Zwangsmassnahmen», welche die Wirtschaft verpflichten, einen obligatorischen Beitrag zur Förderung des politischen Milizsystems zu leisten, stossen in weiten Teilen der Unternehmen auf Skepsis.

Einzig eine staatliche Unterstützung via Erwerbsersatzordnung analog Militärdienst wird von den befragten Unternehmen überraschend positiv aufgenommen. Allerdings: Der grösste Teil der befragten Unternehmen, 46 Prozent nämlich, hat keine Mitarbeitenden, die ein politisches Milizamt ausüben.

Das Rekrutierungspotenzial ist vorhanden

Dies widerspricht dem Bild eines breit verankerten Milizsystems. Weitere 33 Prozent der Unternehmen stellen eine Person und 14 Prozent zwei Personen in der kommunalen oder kantonalen Milizpolitik.

Lediglich sieben Prozent der Unternehmen verfügen über drei und mehr Miliztätige. Damit sind die politisch Miliztätigen sehr ungleich über alle Unternehmen verteilt und konzentrieren sich auf einige wenige.

Zudem fällt auf, dass lediglich gut 20 Prozent der Unternehmen ihre Mitarbeitenden zu einer Kandidatur für ein politisches Amt ermuntern. Das Rekrutierungspotenzial hingegen wäre vorhanden: Von den rund 4.7 Millionen Erwerbstätigen0F in der Schweiz verfügen circa 33 Prozent oder 1.4 Millionen Personen über flexible Arbeitszeiten und damit über die erforderliche Arbeitszeitautonomie.

Unternehmen sehen Handlungsbedarf, teilweise mit anderen Schwerpunkten als Miliztätige

Um das politische Engagement verstärkt zu fördern, sind einige Massnahmen besonders hervorzuheben und stossen sowohl bei den Miliztätigen als auch den Unternehmen auf grosse Akzeptanz.

Zum einen sticht die Förderung einer flexiblen Zeitgestaltung hervor, zum andern auch der Zugang und die Nutzung der Infrastruktur des Arbeitgebers für die Miliztätigkeit und die Verbesserung der Wertschätzung der Miliztätigkeit durch die Unternehmensleitung.

Gleichwohl bewerten die Unternehmen und ihre Miliztätigen mögliche Massnahmen bezüglich Eignung, die die politische Miliztätigkeit generell attraktiver zu machen, unterschiedlich.

Besonders deutlich sind die Unterschiede in den Grossunternehmen, wo die Miliztätigen höhere Ansprüche haben als ihre Arbeitgeber. Ungeachtet dessen erachten die Miliztätigen die Anerkennung ihres Engagements für die berufliche Karriere als zentral – die Unternehmen hingegen weniger.

Neben der Studie wurde ein Online-Tool entwickelt

Unterstützt wurde das Projekt von 18 Unternehmen, Stiftungen und öffentlichen Organisationen.

Die Forschenden der FH Graubünden haben neben der Studie ein innovatives Online-Tool entwickelt, das Unternehmen in einem Check aufzeigt, wo sie in der Förderung des politischen Engagements ihrer Mitarbeitenden im Schweizer Vergleich stehen. Zudem werden verschiedene Massnahmen mit konkreten Beispielen aus der Praxis illustriert.

Damit sollen Unternehmen und ihre Miliztätigen direkt angesprochen werden, aber auch der breiten Öffentlichkeit Impulse und neue Ideen geliefert werden.

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