«Es wäre ein Bärendienst, den man dem ÖV erweisen würde»
Am 4. Juli 2023 bespricht der Grosse Gemeinderat der Stadt Zug den Antrag «Gratis-ÖV für alle». David Meyer (GLP) gibt seine Einschätzung ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 4. Juli 2023 diskutiert der Grosse Gemeinderat von Zug die Motion «Gratis-ÖV für alle».
- Die Motion fordert 1 Jahr Gratis-ÖV im gesamten Kanton Zug für die Stadtzuger Bevölkerung.
Am 4. Juli 2023 wird im Grossen Gemeinderat von Zug über das Traktandum «Gratis-ÖV für alle» gesprochen.
Die Motion der ALG-CSP-Fraktion fordert eine Gewinnbeteiligung der Jahresüberschüsse der letzten Jahre für die Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt Zug. Sie verlangt, dass der ÖV des Kantons Zug für 1 Jahr kostenfrei zur Verfügung gestellt wird.
Wir haben bereits mit Martin Iten (CSP), Verfasser des Vorstosses, gesprochen. David Meyer, Fraktions-Chef der GLP, schätzt das Traktandum gegenüber Nau.ch ein.
Nau.ch: Wie steht Ihre Fraktion zum Vorschlag, dass die Bevölkerung der Stadt Zug für ein Jahr den ÖV des Kantons Zug gratis benutzen darf?
David Meyer: Es wäre ein Bärendienst, den man dem ÖV erweisen würde, wenn er gratis würde. Es würde den ÖV zum Ramsch-Objekt verkommen lassen, denn «kostet es nichts, ist es nichts» würde in den Köpfen der Leute den ÖV degradieren.
Uns von der GLP ist der ÖV jedoch viel wert, wir wissen um seine Wichtigkeit, weshalb wir ihn nach wie vor mit einem Preisschild versehen wollen.
Der ÖV wird heute bereits zu rund 50 % subventioniert, was unseres Erachtens eine ausgeglichene Aufteilung zwischen individueller und öffentlicher Kostenübernahme ist.
Nau.ch: Wieso wird stattdessen nicht einfach jedem Haushalt der Stadt Zug einen Anteil des Jahresüberschusses 2022 auf sein Konto überwiesen?
David Meyer: In der Stadt Zug pflegen wir die Überschüsse nicht thematisch gebunden in die Reserve zu überweisen, denn die Stadt wächst und es stehen kostspielige Investitionen an wie Schulhäuser und Stadttunnel, wofür man die Reserven dann einsetzen kann.
Würde man das Geld aus dem Jahresüberschuss jedem Haushalt überweisen, könnte man gerade so gut die Steuern senken, was wir jedoch bisher nur sehr zurückhaltend gemacht haben.
So hat die Stadt Zug nicht den tiefsten Steuersatz im Kanton, obwohl die Stadt Zug 80 % des nationalen Finanzausgleichs bezahlt und somit nach wie vor die finanzstärkste Gemeinde im Kanton ist.
Nau.ch: Erwarten Sie, dass bei Annahme der Motion mehr Personen vom Auto auf den ÖV umsteigen werden?
David Meyer: Die individuelle Wahl des Mobilitätsträgers hängt von mehreren Faktoren und nicht nur von den Kosten ab. Die meisten Leute haben eine mehrjährige Planung ihrer Mobilität: sei es Auto-Leasing, E-Bike Kauf oder auch Abonnement-Kauf.
Eine einjährige Massnahme hat somit wenig Effekt auf das Mobilitätsverhalten. Es würde lediglich dazu führen, dass Leute zum Spass mehr mit dem ÖV herumfahren, ohne jedoch ihre bisherigen Fahrten zu verringern.
Im Totalen gibt das nur mehr Verkehr und vollere ÖV, was zu mehr Missmut bei den ÖV-Nutzern führt.
Nau.ch: Gibt es Ihrer Meinung nach wichtigere Anliegen, für die der Überschuss eingesetzt werden könnte?
David Meyer: Wir warten immer noch auf die Umsetzung der behindertengerechten Busstationen, welche seit letztem Jahr schweizweit hätte abgeschlossen sein müssen.
Gerade da gäbe es noch ein paar Innovationen zu riskieren, wie zum Beispiel behindertengerechte, bewegliche Einstiegsrampen, welche es im Ausland schon gibt, man sich aber bei uns wegen Kostengründen sträubt einzubauen.
Oder der Fahrplan 2024, welcher gewisse Linien, zum Beispiel Nr. 3 Baar-Oberwil nachts ausdünnt, offenbar auch aus Kostengründen, sodass man dann sinnlos am Bahnhof Zug 15 Minuten rumsteht.
Oder ein zügigerer Wechsel auf Elektrobusse. Oder mehr öffentliche Elektrostationen zum Laden von E-Autos, E-Bikes und E-Roller.
Nau.ch: Wieso sollen die Autofahrenden nicht vom Jahresüberschuss mitprofitieren?
David Meyer: Es wären auch Velofahrende, die nicht profitieren würden. Ebenso würden GA-Fahrer nicht profitieren, sie wären sogar noch die besonders «Beschissenen». Man sieht, aus Gründen der Fairness ist der Vorschlag des Gratis-ÖV unpassend.
Zur Person
David Meyer ist Fraktions-Chef der GLP im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug. Er lebt in Oberwil b. Zug und arbeitet als Ingenieur.