Weltwoche veröffentlicht Balthus-Interview gegen deren Willen
Die Berliner Edelprostituierte Salomé Balthus will mit der Weltwoche nichts zu tun haben. Ein Journalist hat sie als Escort gebucht – und darüber geschrieben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Weltwoche veröffentlicht einen Artikel über die Edelprostituierte Salomé Balthus.
- Diese bekräftigt gegenüber Nau: Dazu habe sie nie eingewilligt.
- Der Artikel entstand, weil ein Journalist Balthus als Escort buchte.
Nach dem Skandal-Interview bei «Schawnski» wollte die Weltwoche ebenfalls mit der Edelprostituierten Salomé Balthus sprechen. Diese lehnte monatelang ab – und trotzdem steht heute auf der Titelseite: «Rendezvous mit Salome Balthus».
Die 34-jährige hält gegenüber Nau fest: Das ist entgegen allen Abmachungen. Escort Ja, aber kein Interview. «Ich habe auch einen Briefwechsel, wo das so festgehalten ist mit der Weltwoche: Als Kunden können Sie uns alle gerne buchen.»
Sehr geehrte @Weltwoche , Ihr Autor Roman Zeller hat über mich und ein "Rendezvous" mit mir geschrieben. Er hatte mich rein privat als Escort gebucht. Für eine Zusammenarbeit mit Ihrer Zeitung stand ich nicht zur Verfügung. https://t.co/hp9GTZrxET
— Salomé Balthus (@Salome_herself) December 5, 2019
Kein Sex, nur Mitleid
Genau das hat Weltwoche-Journalist Roman Zeller aber getan: Er buchte Balthus einfach für teures Geld als Escort. «Er hat mich bezahlt wie jeder andere. Es war nie die Rede von einer Titelgeschichte.» Weder Zeller noch die Weltwoche-Chefredaktion habe ihr gegenüber jemals einen Artikel erwähnt
Balthus betont, es sei kein Sex-Date gewesen – obwohl Zeller dafür tausend Euro für zwei Stunden plus Verlängerung auf vier Stunden bezahlt hat. Sie habe dem rein privaten Kennenlernen in einem Berliner Restaurant nur zugestimmt, «weil er mir ein bisschen leidtat». Ob sich die Investition beziehungsweise das Erbarmen für die Weltwoche und deren Leserschaft gelohnt hat, sei dahingestellt.
Lidschatten und Blutwurst
Im angefochtenen Artikel erfährt man zunächst lediglich, wer Balthus ist, was für ein Kleid sie trägt und dass ihre Haare gleich frisiert waren wie damals bei «Schawinski». Und dann diese Augen, «die grünlich-blau glitzern», mit schwarzem Lidschatten, «Smokey Eyes», weiss Zeller.
Nach zweieinhalbtausend Zeichen wird endlich auch noch über Roger Schawinski geredet. Kurz darauf geht es dann aber wieder darum, was am Nebentisch bestellt wurde (Blutwurst und Blattsalat mit pochiertem Ei). Und dass Balthus französisch parliert (nur parliert) und für sich eine ganze Flasche Rotwein bestellt.
«Und wie stöhnst Du?»
Parliert wird auch noch über Balthus‘ Magisterarbeit zu Friedrich Nietzsche. Vom «erstaunlich geistreichen Abend» angetan, nach Überreichen des Honorars in einem offenen Briefumschlag, bietet Zeller der «Escortdame für intelligente Menschen» das Du an.
Wenn man schon beim Duzis ist, kann ja auch die Prostituierte den Journalisten interviewen. Nach der bahnbrechenden Erkenntnis, dass der Orgasmus bei jedem Mann anders sei, folgt deshalb die Gretchenfrage. «Und wie stöhnst Du?», fragt Balthus Zeller, der den Weltwoche-Lesern seine Antwort allerdings verschweigt.
«Weil ich nicht mit ihm aufs Zimmer gegangen bin?»
Weltwoche-Besitzer Roger Köppel will auf Anfrage von Nau die Vorwürfe nicht kommentieren, lobt aber Zellers Artikel. Auch wenn darin ausser Berliner Menü-Karten keine Geheimnisse ausgeplaudert werden.
Balthus rätselt denn auch, was das Ganze soll: «Er scheint jedenfalls stolz darauf zu sein, eine Sexarbeiterin getroffen und ausgetrickst zu haben. Da steht dann schon ein etwas seltsames Weltbild dahinter. Oder wollte er mir eins auswischen, weil ich nicht noch mit ihm aufs Zimmer gegangen bin?»
Salomé Balthus will nicht mit der Weltwoche
Wie sie jetzt vorgehen will, hat Salomé Balthus noch nicht entschieden. Den Weltwoche-Artikel will sie nicht lesen, sich ihre Erinnerung ans Rendezvous nicht verderben lassen: «Ich bin ein sehr sprachaffiner Mensch. Und ich will keine schlechten Flashback an diese Begegnung.»
Sie habe nur klarstellen wollen, dass sie nicht mit der Weltwoche zusammenarbeite und ihr auch keine Interviews gebe. «Die wollten mich ja sogar als Kolumnenschreiberin anwerben.» Unklar sei ihr dagegen, ob Zeller mit Rückendeckung der Redaktion gehandelt, oder diese ebenfalls im Unklaren gelassen habe.
So oder so ein Vorgehen, das online für heftige Kritik sorgt. Balthus fragt sich, wo da die journalistische Ethik bleibe. Ich wollte nicht an die Öffentlichkeit mit diesem Treffen, da wurde also definitiv eine Linie überschritten.»