Elton John kritisiert Zensur schwuler Filmszenen in Russland
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem schwulenfeindlichen Teil Russlands liegt Popstar Elton John seit Jahren im Clinch.
Sogar mit Kremlchef Wladimir Putin hat er schon wegen der schwierigen Lage für Homosexuelle im Riesenreich telefoniert.
Dass der Weltstar nun erleben muss, wie der Film «Rocketman» über sein bewegtes Leben in der russischen Version verstümmelt wurde, ist der vorläufige Höhepunkt einer seit Jahren laufenden Kampagne gegen den Künstler. Der 72-Jährige spricht von Zensur.
Russische Filmkritiker, die den Film bereits auf dem Filmfestival in Cannes gesehen haben, wunderten sich jetzt in Moskau bei einer Vorführung, dass in der russischen Variante Szenen mit schwulem Sex und Drogenkonsum fehlen. Dabei ist Homosexualität in Russland legal.
Menschenrechtler bezeichnen diesen Eingriff in die Kunstfreiheit als unrechtmässig. In einer bei Twitter und Facebook veröffentlichten Stellungnahme verurteilte Elton John das nicht abgesprochene Vorgehen scharf. Den Film nicht zu zeigen, wie er sei, «das ist tatsächlich eine traurige Spiegelung einer gespaltenen Welt, in der wir immer noch leben» - eine Welt, die immer noch auf grausame Weise die Liebe zwischen zwei Menschen nicht akzeptieren könne.
Elton John hatte bereits 2013 ein umstrittenes russisches Gesetz gegen «Homopropaganda» verurteilt. Verboten ist demnach eine lebensbejahende Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe in Anwesenheit von Kindern. Während solche positive Äusserungen unter Strafe stehen, bleibt Hetze gegen Schwule ungesühnt. «Rocketman» läuft am 6. Juni in den russischen Kinos an - mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren.
Nachdem der russische Vertrieb Central Partnership das Herausschneiden von Szenen mit russischen Gesetzen begründet hatte, erinnerten Menschenrechtler daran, dass das Vorgehen nicht legal sei. Die Organisation Amnesty International verlangte deshalb, den Streifen in Originallänge von rund zwei Stunden zu zeigen. Demnach fehlen bisher 20 Minuten. Darunter ist auch eine Bettszene mit nackten Männern in Missionarsstellung - und am Ende eine Textzeile samt Foto von John und seinem Ehemann David Furnish mit dem Hinweis, dass beide ihr Glück gefunden hätten.
Dass die beiden gemeinsam Kinder erziehen, ist in Russland ein Tabu. Gleichgeschlechtliche Ehe oder ein Adoptionsrecht für Homosexuelle gibt es nicht. Wortführer einer schwulenfeindlichen Atmosphäre ist vor allem die russisch-orthodoxe Kirche. Patriarch Kirill versteht Russland sogar als Bollwerk gegen einen drohenden Weltuntergang. Schuld an dieser Selbstzerstörung hätten Schwule und Lesben, sagte er einmal.
In einer frischen Umfrage des Meinungsforschungszentrums Lewada sprach mehr als die Hälfte der Befragten von einer ablehnenden Einstellung gegenüber Schwulen und Lesben. Ein Drittel würde demnach komplett die Kontakte mit ihnen abbrechen. 47 Prozent gingen davon aus, dass Homosexualität nicht naturgegeben, sondern eine Frage der Erziehung und Lebensumstände sei.
Es gibt zwar Schwulenclubs mit wilden Partys in Moskau und anderen Grossstädten, die den im «Rocketman» gezeigten Szenen in nichts nachstehen. Aber das Austauschen von Zärtlichkeiten zwischen zwei Männern auf der Strasse kann schnell zu gewaltsamen Übergriffen führen. Immer wieder in der Kritik steht dabei das Gesetz gegen «Homopropaganda», das Gewalttäter als eine Art Freibrief sehen, gegen Homo-, Bi- und Transsexuelle (LGBT) vorzugehen.
Erst in der vergangenen Woche kritisierten die Organisatoren des achten LGBT-Kinofestivals «Bok o Bok» tägliche Provokationen. Sie meldeten Angriffe von national-konservativen Gruppierungen, Bombendrohungen und Blockaden am Kinoeingang. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte das Gesetz als diskriminierend und unvereinbar mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung bezeichnet.
Im Fall des Elton-John-Films wies der russische Kulturminister Wladimir Medinski jeden Zensurvorwurf zurück. Doch Kulturschaffende sehen ihn seit langem als Drahtzieher einer solchen Politik mit massiven Eingriffen in die Kunstfreiheit.
Der Regisseur Kirill Serebrennikow, der gerade aus einem langen Hausarrest entlassen wurde und sich vor Gericht wegen angeblicher Veruntreuung staatlicher Fördergelder verantworten muss, will schon seit Jahren einen Film über den Komponisten Peter Tschaikowsky («Schwanensee») drehen. Medinski hatte die Förderung des Films aber zurückgezogen, weil Serebrennikow die in Russland tabuisierte private Seite des Nationalhelden Tschaikowsky (1840-1893) zeigen wollte.
«Das war ein beispielloser Druck seitens des Kulturministeriums auf mich», sagte Serebrennikow damals der Deutschen Presse-Agentur. Medinski hatte behauptet, dass Tschaikowskys Homosexualität nicht erwiesen sei. Dagegen bestätigte Kremlchef Putin dessen Schwulsein. Zugleich machte er deutlich, dass die Russen ihn ja nicht deshalb lieben würden.