«Fear and Loathing in Las Vegas»: Johnny Depps Drogentrip wird 25
Von der Kritik damals verrissen, gilt «Fear and Loathing in Las Vegas» heute als Kultfilm. Vor 25 Jahren fand sich Johnny Depp im «Fledermausland» wieder.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor 25 Jahren erschien «Fear and Loathing in Las Vegas» mit Johnny Depp.
- Wurde er damals von Kritikern verrissen, gilt er heute als Kultfilm.
Was soll schon passieren, wenn ein Filmstar und Hunter S. Thompson (1937-2005), der Vater des Gonzo-Journalismus, aufeinandertreffen? Im Fall von Johnny Depp (59) erschütterte um 02:00 Uhr morgens eine selbstgebastelte Bombe die Ruhe eines Skiressorts.
Viehtreiber, Schläge und eine Explosion
Depp war an Weihnachten 1995 mit seiner damaligen Partnerin, dem britischen Model Kate Moss (49), und deren Mutter nach Aspen im US-Bundesstaat Colorado gereist, wo sie ein Lokal besuchten. Auftritt Thompson: Mit zwei elektrischen Viehtreibern in den Händen betrat der sagenumwobene Journalist und Schriftsteller die Woody Creek Tavern, wie Depp sich in einem im Sommer 1998 im «Rolling Stone» erschienenen Artikel von Chris Heath erinnert.
Thompson habe Depp durchgängig zum Lachen gebracht. «Scheisse, wie ob ich [meine Partnerin] genügend schlage», habe der Autor den Hollywood-Star gefragt. «Ich sagte ihm vermutlich: 'Yeah, sie bekommt hart Prügel.'» Hätte Depp gewusst, dass ihm viele Jahre später häusliche Gewalt vorgeworfen werden würde, hätte er sich diesen vermutlich scherzhaft gemeinten Kommentar wohl gespart.
Thompson sei bei dem Treffen «keine Enttäuschung» gewesen, wie Depp es nannte. Er wurde seinem Ruf auch wenige Stunden später offenbar mehr als nur gerecht. Die Gruppe machte sich auf zum Zuhause des Schriftstellers im nahegelegenen Woody Creek. Gegen 02:00 Uhr morgens habe der Autor den Schauspieler dann aufgefordert, Nitroglycerin an eine Propangasflasche zu kleben.
Mit der selbstgebastelten Bombe ging es in den Garten. Einen Schuss, eine über 20 Meter hohe Explosion und einen wohl mehr als nur aussergewöhnlichen Ersteindruck von Thompson später, urteilte Moss' Mutter damals: «Sie dachte einfach nur, Hunter war ein Irrer und entsetzlich gefährlich [...].» Für Depp und Thompson war es jedoch der Beginn einer langjährigen Freundschaft.
Zwischen Monty Python und Unmengen an Drogen
Dieses regelrecht absurde Chaos, das sich wohl durch weite Teile von Thompsons Leben zog, setzte Terry Gilliam (82) wenig später mit «Fear and Loathing in Las Vegas» für die grosse Leinwand um. Erst war Alex Cox (68) dafür vorgesehen, der Brite wurde aber nach Differenzen mit Thompson durch Gilliam ersetzt.
Der Mitbegründer der legendären britischen Komikertruppe Monty Python hatte zuvor unter anderem mit ausserordentlichen Werken wie «Brazil» (1985) oder «12 Monkeys» (1995) als Regisseur von sich Reden gemacht. Auch beim Monty-Python-Klassiker «Die Ritter der Kokosnuss» (1975) führte er mit seinem Kollegen Terry Jones (1942-2020) Regie.
«Fear and Loathing in Las Vegas» basiert auf Thompsons gleichnamigem Roman, zuvor in Artikelform im «Rolling Stone» erschienen, rund um zwei Trips des Autoren mit dem Rechtsanwalt Oscar Zeta Acosta in die Sin City im Jahr 1971. Anstelle von Thompson macht sich sein quasi Alter Ego, der Journalist Raoul Duke (Depp), mit seinem Anwalt Dr. Gonzo (Benicio del Toro, 56) auf den Weg nach Las Vegas, um dort von einem Offroad-Rennen zu berichten.
Schon auf der Anfahrt befinden sich beide im Rausch: «Wir waren irgendwo in der Nähe von Barstow, am Rande der Wüste, als die Drogen zu wirken begannen.» Was folgt, ist ein in einem Trailer als «ultimativer Trip» beschriebener, fast zweistündiger Fiebertraum von einem Film. Einer, der Depp und del Toro durch das «Fledermausland» auf ein Kinoabenteuer in die Stadt der Sünde führt, das seinesgleichen sucht.
Weitere Filmstars haben zumindest kleinere Auftritte. Ein junger Tobey Maguire (47) ist als Anhalter zu sehen, Cameron Diaz (50) als Reporterin und Gary Busey (78) als Polizist. Ellen Barkin (69) oder auch Christina Ricci (43) spielen ebenfalls mit, genauso wie Thompson selbst.
Das Cameo des Autoren war für Regisseur Gilliam jedoch ein Alptraum, wie er 2019 im Gespräch mit der britischen Film-Webseite «HeyUGuys» erklärte. «Nur diesen einen Tag – und wir hofften nie wieder», sei Thompson am Set gewesen. Als er beim Dreh war, sei es nur um ihn gegangen und nicht mehr um den Film.
Er habe im Mittelpunkt stehen müssen und sich wie ein Arschloch verhalten. Einer der Produzenten, Depp und Gilliam seien «wie drei Hunde [gewesen], die versuchten, dieses widerspenstige Schaf ins Gehege zu treiben». Aber das sei nun einmal der Preis, den man zahle, wenn man mit der Nervensäge Thompson arbeite.
Gonzo gone wrong?
Heute als Kultfilm gehandelt, gab es von den Kritikern für die am 22. Mai 1998 in den US-Kinos angelaufene Schwarze Komödie durchwachsene bis miserable Bewertungen. Beim US-Branchenmagazin «Variety» war von einem «Horrortrip» die Rede – von einer «abstossenden und unbefriedigenden Schinderei durch die Tiefen der Drogenkultur».
Die Konkurrenz vom «The Hollywood Reporter» schrieb von einer «uninspirierten Reihe tollpatschiger Szenen». Der Film sei eine visuelle Katastrophe: «Thompsons Delirium und Genie, darunter Anfälle von durch Drogen hervorgerufenem Schwachsinn und Halluzinationen, wird auf banalste Weise visualisiert.» Man hoffe, der legendäre Journalist habe genügend Whiskey parat, wenn er sich den Film ansehe.
Der verstorbene Roger Ebert (1942-2013), einer der bekanntesten US-Filmkritiker, sprach damals von einem «scheusslichen Wirrwarr eines Films». Was Depp, der nicht «das Genie unter dem Wahnsinn» kommunizieren könne, sich wohl dabei gedacht habe, diese Rolle zu spielen, fragte Ebert.
Der Schauspieler wiederum hatte dem «Rolling Stone» kurz nach den Dreharbeiten erklärt: «Ich hoffe nur, dass [Thompson] nicht den Film sieht und mich hasst.» Es liege nicht in seinen Händen, «aber verdammt, er verdient einen guten Film» – und das habe der Schauspieler auch bewerkstelligen wollen.
Ungeachtet der Rezeption schadete die Komödie wohl nicht der freundschaftlichen Beziehung Depps und Thompsons. Der Schauspieler soll 2005 nach dem Tod des Schriftstellers auch einen Grossteil der Kosten für eine selbstverständlich alles andere als gewöhnlichen Trauerfeier getragen haben.
Thompsons Asche soll im Rahmen einer grossen Party aus einer Kanone abgefeuert worden sein. Wie heisst es doch im Englischen so schön: Truth is stranger than fiction. Die Wirklichkeit ist offenbar tatsächlich merkwürdiger als das, was sich so manch anderer Autor überlegt.