Thomas Gottschalk

Keine Lust auf Legende: Thomas Gottschalk wird 70

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Deutschland,

Thomas Gottschalk gilt als einer der letzten Entertainer der alten Schule und prägte Generationen. Er hätte als Fernsehlegende in den Ruhestand treten können. Kurz vor seinem 70. Geburtstag macht er nochmal klar, warum das nichts für ihn ist.

Thomas Gottschalk gilt als einer der letzten Entertainer der alten Schule. Foto: Sven Hoppe/dpa
Thomas Gottschalk gilt als einer der letzten Entertainer der alten Schule. Foto: Sven Hoppe/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Thomas Gottschalk hätte zur Legende werden können.

Als er «Wetten, dass..?» an den Nagel hängte, hätte er sich ausruhen können auf dem Wissen, Fernsehgeschichte geschrieben zu haben.

«Aber was habe ich denn davon?», fragte er im vergangenen Jahr bei einer Lesung in München aus seinem jüngsten Buch «Herbstbunt». «Grundsätzlich ist einfach der Spass an der Sache grösser als die Lust, Legende zu sein», sagt Gottschalk nun in einem Interview des Bayerischen Rundfunks (BR). «Wenn ich die Chance habe, rauszukommen und zu sagen: "Guten Abend in Deutschland, Österreich und der Schweiz", dann tue ich das.»

Jetzt wird Gottschalk, der Berufsjugendliche, 70 Jahre alt. In Corona-Zeiten qualifiziert das für die Risikogruppe. Aber: «Ich bin krisenfest», sagt er der Zeitschrift «Bunte». Als er 15 gewesen sei seien in seiner Heimatstadt Kulmbach die Pocken ausgebrochen. Er habe den sauren Regen, die Tschernobyl-Katastrophe und die Volkszählung überlebt. «Ausserdem ein Dutzend Intendanten der ARD und des ZDF, fünf Päpste und gefühlte 100 SPD-Vorsitzende. Nichts davon hat mir meinen Humor und den Glauben an das Gute im Menschen genommen.»

Das ZDF wollte ihn mit einer Gala am Sonntagabend feiern. Im November wird es ganz nostalgisch: Der dann 70-Jährige kommt - so die Pandemie es erlaubt - mit seinem ganz grossen Erfolg zurück auf den Bildschirm und will noch einmal die Show moderieren, die dafür sorgt, dass man ihn eigentlich in einem Atemzug mit Hans-Joachim Kulenkampff oder Peter Frankenfeld nennen muss: «Wetten, dass..?».

Das mediale Lagerfeuer, das Gottschalk zwischen 1987 und 2011 regelmässig anzündete, ist inzwischen zwar erloschen, doch vor noch gar nicht allzu langer Zeit sprach man am Montag danach darüber - im Büro und auf dem Schulhof. Man sprach über den spektakulären Auftritt von Michael Jackson, über Gäste wie Tina Turner, Robbie Williams und Tom Hanks und darüber, was der Thommy da nur wieder anhatte. Seine Outfits sind ebenso legendär wie die Tatsache, dass die berühmtesten seiner Gäste immer schon nach fünf Minuten ihren Flieger kriegen mussten.

Doch so glanzvoll Gottschalks «Wetten, dass..?»-Vergangenheit auch ist, mit Alternativen auf dem Bildschirm hatte er oft kein glückliches Händchen. Er scheiterte phänomenal mit einer Vorabendshow im Ersten und zog Kritik auf sich, als er neben Dieter Bohlen in der «Supertalent»-Jury von RTL Platz nahm.

Als der Fernsehmann Anfang 2019 verkündete, dass er eine Literatursendung («Gottschalk liest?») im BR startet, sagte er, sein Glück sei, «dass ich in einer Phase meiner Karriere bin, in der ich nichts mehr zu verlieren habe». Und eine Literatursendung sei da doch die bessere berufliche Perspektive - «bevor es eine weitere Folge der "Rosenheim-Cops" wird».

Inzwischen ist auch «Gottschalk liest?» Geschichte. Grund ist wohl eine Frau: Karina Mross, seine neue Lebenspartnerin, über die er der «Bunte» sagt: «Karina ist wirklich meine Traumfrau.» Der Moderator hat den BR, bei dem er seine Karriere einst startete, und dem er laut einem Interview, das er dem «Handelsblatt» gab, 915,79 Euro gesetzliche Rente verdankt, gegen den Südwestrundfunk (SWR) eingetauscht, wo auch Mross arbeitet.

Dass Gottschalk seine Frau Thea nach fast einem halben Jahrhundert, zwei gemeinsamen Söhnen und Enkelkindern für eine Jüngere verliess, machte Schlagzeilen im vergangenen Jahr, kurz nachdem seine Villa in Malibu abgebrannt war. «Meine erklärte Absicht war es eigentlich, als abgeklärte Fernsehlegende in Malibu die Füsse hochzulegen, während sich die Nation nur schwer mit dem Gedanken abfinden kann, ihre Samstagabende ohne mich zu verbringen», schreibt er in «Herbstbunt». Doch: «Malibu ist abgebrannt, die Nation plant das Wochenende ohne mich, und statt in meiner kalifornischen Windmühle in die Abendsonne zu blinzeln, die glutrot im Pazifik versinkt, habe ich mir mit neuer Partnerin in Baden-Baden eine renovierte Dachwohnung gemietet.»

Er sei sich seiner Sache stets sehr sicher gewesen, schreibt Gottschalk in dem Buch auch. «So sicher, dass ich mir im Rückblick fast eine gewisse Arroganz eingestehen muss. Das wurde mir aber erst klar, als mir im letzten Drittel meiner Reise nach meinem beruflichen auch mein privates Leben um die Ohren flog.» Als notorischem Dampfplauderer falle es ihm inzwischen schwer, zu erkennen, wo heute die Grenzen des guten Geschmacks verlaufen, räumt er in der 2019 erschienenen Biografie auch ein.

Das merkt man zuweilen: Über Jahrzehnte hinweg gelang es Gottschalk immer wieder, den richtigen Ton zu treffen. Besonders in schwierigen Situationen konnte er über sich hinauswachsen: zum Beispiel als er humorvoll und konziliant die Stimmung beim Fernsehpreis rettete, nachdem Marcel Reich-Ranicki erbost gezetert hatte: «Ich nehme diesen Preis nicht an». Oder als er nach dem furchtbaren Unfall von Samuel Koch die Sendung abbrach und nicht lange danach ein mitfühlendes Interview mit dessen Vater führte.

Was er sagte, war wahnsinnig schlagfertig, oft lustig, charmant, hatte aber meistens Substanz, es war zuweilen sogar klug. In den vergangenen Jahren scheint ihm das Gespür für den richtigen Ton aber zeitweise abhanden zu kommen. Er beschwört gern eine Allianz mit seinen Fans und Hörern gegen (andere) Medien. Ganz weit entfernt von Medienschelte ist das zuweilen nicht. Zu einem kommunikativen Desaster geriet seine Ankündigung, nicht mehr mit dem BR zusammenzuarbeiten. Er sagte, das geschehe aus gesundheitlichen Gründen - und ganz Fernsehdeutschland war in Sorge, bis er schliesslich in einer Talkshow einräumte, schlicht gelogen zu haben.

«Herbstbunt», sein bislang letztes Buch, erlaubt auch einen Einblick in die Seele des alten, weissen Mannes. Der «"ältere heterosexuelle weisse Mann", eine Spezies, der ich mich zurechne», sei «mittlerweile das einzige lebende Wesen (...), das keinerlei Artenschutz für sich reklamieren kann». Es ist die grosse Sorge alter weisser Männer auf der ganzen Welt - und sie macht leider wohl auch vor einer Fernsehlegende nicht Halt.

«Herbstbunt», Heyne Verlag, München, 272 Seiten, ISBN: 978-3-453-20706-6

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