«Braucht Alternative»: Schwulenverband zum HIV-Pillen-Entscheid
Krankenkassen sollen ab Juli 2024 die Kosten der HIV-Präventionsprophylaxe übernehmen. Von diesem Bundesratsentscheid zeigen sich schwule Männer überrascht.
Das Wichtigste in Kürze
- Per Juli 2024 werden Präventionsmedikamente für HIV-Infektionen von Krankenkassen bezahlt.
- Das ist Teil der nationalen Kampagne zur Ausrottung von HIV bis 2030.
- Die Dachorganisation für schwule Männer ist überrascht und teilweise skeptisch.
PreP – so wird die lebensrettende Pille zum Schutz vor HIV genannt. Das steht für «Prä-Expositions-Prophylaxe», aber so nennt es kaum jemand: Der englische Begriff hat sich schon lange durchgesetzt.
Gemäss der Aids-Hilfe Schweiz könnten sich mehrere Personen mit PreP vor einer HIV-Infektion schützen. Nicht nur schwule Männer, die ohne Kondom Sex haben, sondern auch Sexarbeiterinnen und -arbeiter. Oder jene, die unter Alkohol- beziehungsweise Drogeneinfluss Sex «mit vielen verschiedenen Personen» haben.
Wer also das Medikament nimmt, muss sich nicht um den HIV-Status seiner sexuellen Partnerinnen und Partner kümmern. Und neu sollen die Kosten von PreP in der Schweiz von den Krankenkassen übernommen werden. Das hat der Bundesrat am Mittwoch entschieden, als Teil seiner Kampagne zur Ausrottung von HIV/Aids bis 2030: Die Übernahme ist der erste Schritt davon.
Dem Hausarzt alle Sexkontakte vorlegen?
«Der Entscheid des Bundesrats ist sehr begrüssenswert, wir sind sehr froh», sagt Roman Heggli, Geschäftsführer der «Pink Cross». Die Dachorganisation schwuler oder bisexueller Männer engagiert sich oft politisch.
«Ich bin tatsächlich positiv überrascht», gibt Heggli zu: «Der Bundesrat hat endlich eingesehen, dass PreP eine wichtige Möglichkeit ist, um die HIV-Infektionszahlen zu senken.» Der Kampf gegen das Virus gehe in die richtige Richtung – für dessen Elimination müssten «alle wirksamen Präventionsmassnahmen» genutzt werden.
Entscheidend sei, wie die Risikogruppen definiert würden, sagt Heggli. Darüber hat der Bundesrat noch nichts Genaues gesagt. Naheliegend wäre aber, dass die Richtlinien der Aids-Hilfe Schweiz herbeigezogen würden.
Auch Heggli findet den engen Einbezug von Expertinnen und Experten sowie Fachverbänden zentral: insbesondere, wenn es um den Zugang zu PreP gehe.
«Muss man als Patientin oder Patient dem Hausarzt ein Tagebuch seiner Sexkontakte vorlegen?», fragt Roman Heggli. Am liebsten nicht, sagt er. Die Betroffenen müssten «unkompliziert und niederschwellig» zum Medikament gelangen.
Ein Problem gebe es aber mit der Krankenkasse-Übernahme, wie der «Pink Cross»-Geschäftsführer aufzeigt. «PrEP ist auch bei jungen Menschen beliebt, die aber häufig eine hohe Franchise haben: Dann macht es keinen Unterschied, ob die Krankenkasse die Kosten für PreP übernimmt oder nicht.»
Da brauche es zusätzliche Angebote, findet Heggli. Zudem seien viele dieser Jungen noch bei der Krankenkasse der Eltern, weswegen auch sie alternative Angebote bräuchten: «Nicht, dass sie zuhause geoutet werden, weil auf der Abrechnung ‹PreP› steht.»