Bund vergibt Auftrag für Zertifikats-App ohne Ausschreibung

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Die App fürs Covid-Zertifikat kommt wie schon die SwissCovid-App von der Firma Ubique. Der Bund hat den Millionen-Auftrag ohne Ausschreibung vergeben.

Covid-Zertifikat Marcel Dobler
FDP-Nationalrat Marcel Dobler ist sauer: Der Bund hat den Auftrag für eine Covid-Zertifikat-App ohne Ausschreibung vergeben. - Keystone/BIT

Das Wichtigste in Kürze

  • Erste Covid-Zertifikate sollen ab nächster Woche experimentell laufend ausgestellt werden.
  • Der Bund hat dafür den Auftrag eigenhändig der IT-Firma Ubique gegeben.
  • Das sei unschön, aber vom Zeitdruck her zu rechtfertigen, sagen Politiker in der Branche.

Die Schweiz wartet gespannt auf die App, mit der das Covid-Zertifikat aufs Smartphone kommen soll. Auf Freitag sind mehr Informationen versprochen, nächste Woche soll bereits die Pilotphase starten. Programmiert wird die App von der Zürcher IT-Firma Ubique, die den Zuschlag für den Millionen-Auftrag freihändig erhalten hat. Lies: Es gab keine Ausschreibung, obwohl das bei solchen Grössenordnungen normalerweise Pflicht wäre.

Ubique Covid-Zertifikat
Alle diese Apps sind von Ubique: VoteInfo, SwissCovid, SBB... Jetzt ist das Unternehmen auch für das Covid-Zertifikat zuständig. - Ubique

Dass Ubique eine weitere App des Bundes verantwortet, muss nicht unbedingt schlecht sein. Schliesslich kann sie die Erfahrung aus der SwissCovid-App vorweisen. Ein Punkt, den auch das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) in seiner Begründung hervorhebt. Ubique hat schon diverse preisgekrönte Apps für den Bund erstellt, am bekanntesten ist wohl die MeteoSwiss-App. Ist nun aber die Vergabe eines weiteren Auftrags unter der Hand nicht problematisch?

«Unschön, aber…»

Immerhin wäre rein theoretisch genügend Zeit für die gesetzlich vorgesehen verkürzte Frist von Ausschreibungen gewesen. Für IT-Unternehmer und SVP-Nationalrat Franz Grüter entsteht aber nicht zwingend der Eindruck der Mauschelei. «Natürlich ist es etwas unschön, aber der Zeitdruck und die spezielle Situation rechtfertigen wohl die Vorgehensweise.» Auch juristisch sei der Bund wohl abgesichert: «Der Bundesrat darf das an sich, schliesslich sind wir immer noch in der ‹besonderen Lage›.»

Auch Berufs- und Amtskollege Gerhard Andrey reagiert eher mit einem Schulterzucken. «Es ist halt eines dieser nächsten Projekte, das wegen der Pandemie in sehr kurzer Frist umgesetzt werden muss, insofern ist die Freihändigkeit nicht besonders überraschend.»

Simap
Der Grundauftrag vom Bund an Ubique für die Covid-Zertifikat-App. - BIT

Was nichts an seinen grundsätzlichen Vorbehalten ändert bei Aufträgen der Bundesverwaltung. «Freihändige IT-Vergaben sind grundsätzlich immer problematisch, aber in der Dimension in der Schweiz weniger bei KMUs als bei den Giganten wie SAP, Microsoft und Konsorten.»

Diskriminierung der Konkurrenz

Weitaus weniger Verständnis für die Begründung, es habe halt pressiert, hat FDP-Nationalrat Marcel Dobler. Auch er ist in der IT-Szene verwurzelt und erinnert daran, dass sich offenbar über 50 Firmen für die Umsetzung des Covid-Zertifikats interessierten. Bereits der Umstand, dass das BIT seine eigene Lösung umsetzt, sorgte für Stirnrunzeln.

Marcel Dobler
Marcel Dobler (FDP/ZH) ist Gründungsmitglied von Digitec, war auch CEO des Unternehmens. - Keystone

«Für mich als Parlamentarier war der Ausschreibungsprozess intransparent und von aussen nicht nachvollziehbar», ärgert sich Dobler. «Auf dem Markt gab es zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits fertige getestete Lösungen.» Dobler sieht ein, dass der Zeitdruck enorm war, umso mehr fordert er jetzt ein Entgegenkommen des Bundes. «Bis das Impfzertifikat umgesetzt ist und in den Kantonen die Daten nacherfasst sind, rechtfertigen sich im Inland keine diskriminierenden Massnahmen mehr.»

Hauptsache, die Zertifikats-App funktioniert

Weiter schlimm, im Sinne eines Schadens für die Steuerzahlenden, sei die fehlende aber Ausschreibung nicht, sagt Gerhard Andrey. «Der Quellcode ist ja offen und für alle einsehbar und wiederverwendbar. Die Abhängigkeit ist also klein, weil der Bund mit einer anderen Firma weitermachen könnte, wenn er das wollte.»

Auch für SVPler Franz Grüter spielt es eine untergeordnete Rolle, wer schlussendlich die App macht. «Die Leute interessiert doch vielmehr: Wann kommt es und ist es international anerkannt? Ist die App einfach zu benutzen und kann sie neben Covid auch andere Impfungen speichern? Gemäss Parlamentsbeschluss im Covid-19-Gesetz muss der Bund einen digitalen Ausweis anbieten, der alle Impfungen abdeckt.»

Covid-Zertifikat Impfung Federer
Diese Daten werden aufgenommen, wenn eine Person geimpft ist, hier am Beispiel (wie üblich in der Schweiz) Roger Federer: Name, Nachname und Geburtsdatum, dann Impfdatum und Anzahl Dosen. - BIT

Theoretisch sollte für den Anfang alles klappen – Nationalrat Andrey hat bestätigt erhalten, dass die App technisch umgesetzt sei. Das lasse sich auch im Internet, im publizierten Quellcode, nachvollziehen: «Das ist das tolle an Open Source Software!»

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