Bundesratswahlen: FDP-Gössi kritisiert «Sozialkontrolle» von Burkart
Die FDP habe die Einhaltung des SP-Tickets bei den Bundesratswahlen mittels «Sozialkontrolle» sichergestellt, erklärt Thierry Burkart. Petra Gössi widerspricht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die FDP habe mittels Sozialkontrolle sichergestellt, dass das SP-Ticket eingehalten wird.
- Parteipräsident Thierry Burkart sei durch die Reihen gegangen und habe kontrolliert.
- Ständerätin Petra Gössi will davon nichts mitbekommen haben: «Ich habe nichts gesehen!»
Die Bundesratswahlen liegen im Rückspiegel: Der Stadtbasler Regierungspräsident Beat Jans wird Alain Berset in der Landesregierung ersetzen – dies steht nach einer umstrittenen Wahl fest.
Umstritten deshalb, weil der «wilde» Daniel Jositsch in sämtlichen Wahlgängen mehr Stimmen erhalten hatte als sein offizieller Kontrahent Jon Pult. Dies, obwohl alle Parteien im Vorfeld versprochen hatten, das offizielle Zweierticket der Sozialdemokraten zu respektieren. Umstritten auch deshalb, weil Grünen-Kampfkandidat Gerhard Andrey gegen Ignazio Cassis weit über seine eigenen Parteilinien hinaus hatte Stimmen sammeln können.
Bei Bundesratswahlen gilt striktes Wahlgeheimnis – entsprechend kann nur spekuliert werden, aus welchem Lager die Stimmen für Daniel Jositsch stammten. Dennoch stand für zahlreiche Medienschaffende, Experten und Politgrössen schon unmittelbar nach den Bundesratswahlen fest: Es handle sich um Stimmen aus den Reihen der SVP und der FDP.
Sozialkontrolle statt Wahlfreiheit?
Im «Rundschau-Talk» setzte sich FDP-Parteipräsident Thierry Burkart gegen diese Vorwürfe zur Wehr – und sorgte mit kontroversen Aussagen für Schlagzeilen: «Unsere Leute haben innerhalb des Tickets gewählt, das haben wir in der Fraktion so beschlossen und fast schon kontrolliert.»
Er sei durch die Reihen gegangen und habe sich mit seinen Parlamentsabgeordneten über ihren Stimmentscheid unterhalten. «Sie haben mir auch alle gesagt, sie hätten noch links und rechts geschaut. Da gibt es eine gewisse Sozialkontrolle», erklärte Burkart. Entsprechend habe es aus seiner Partei denn auch nur «eine bis drei Stimmen» für den wilden Kandidaten gegeben: «Eine weiss ich, zwei vermute ich», erläuterte der Aargauer.
Ständerätin Petra Gössi widerspricht Thierry Burkart
Im «SonnTalk» auf «TeleZüri» widerspricht FDP-Ständerätin Petra Gössi ihrem Parteipräsidenten: «Ich wusste nicht, dass es diese Sozialkontrolle gegeben hat. Ich habe Burkart auch nicht durch die Reihen gehen sehen.»
Die Schwyzerin betont, dass jedes Parlamentsmitglied von Gesetzes wegen nach bestem Wissen und Gewissen eine geheime Wahl abgebe. Natürlich habe man sich im Vorfeld der Bundesratswahlen auch innerhalb der FDP darüber unterhalten, wie wichtig es sei, geschlossen aufzutreten.
«Doch ich gehe davon aus, dass es dafür am Schluss keine Sozialkontrolle braucht», erklärt die ehemalige FDP-Parteipräsidentin. Letzten Endes könne sie nur für sich alleine sprechen: «Aber dort, wo ich gesessen habe, fand keine Sozialkontrolle statt!»
«Das würde auch überhaupt nicht dem Wesen einer Bundesratswahl entsprechen», so Gössi. Sie ist überzeugt, dass die Aussage Burkarts «nicht genau so gemeint» war, wie sie schlussendlich formuliert wurde.
«Empörungsbewirtschaftung» seitens der SP?
Dass Medienschaffende die Vorwürfe von Seiten der Sozialdemokraten einfach kritiklos wiedergegeben hatten, erstaune Burkart sehr. Es handle sich dabei um «reine Empörungsbewirtschaftung», erklärte er im «Rundschau-Talk».
Die Stimmen für Gerhard Andrey wiederum würden zu wenig thematisiert. Tatsächlich hatte «Rundschau-Talk»-Moderator Gion-Duri Vincenz erklärt, «Störmanöver» habe es nur beim SP-Sitz gegeben.
«Ich finde es etwas dreist von den Sozialdemokraten, dass ausgerechnet sie uns diesen Vorwurf machen.» Schliesslich sei es die SP, die den freisinnigen Kandidaten Ignazio Cassis «mehrheitlich» nicht unterstützt hatte.
Ein Rechenbeispiel aus den Bundesratswahlen
Die Grünen und die Grünliberalen verfügen insgesamt über 37 Sitze in der Bundesversammlung. Der Grüne Bundesratskandidat Gerhard Andrey hatte gegen Cassis jedoch 59 Stimmen erhalten.
Im «Rundschau-Talk» hatte Burkart vorgerechnet: Vorausgesetzt, die gesamte GLP habe für Andrey gestimmt, müsste der Freiburger also 22 zusätzliche Stimmen erhalten haben.
Es sei davon auszugehen, dass diese grossmehrheitlich aus dem Lager der Sozialdemokraten stammten. Folglich habe mindestens annähernd die Hälfte der SP gegen die Zauberformel gewählt – entgegen anderslautenden Versprechen im Vorfeld.
«Die Kirche im Dorf lassen»
Woher die Stimmen für Kampfkandidat Gerhard Andrey und Wildkandidat Daniel Jositsch schliesslich stammten, wird für immer im Verborgenen bleiben. Fest steht hingegen: Die Sozialdemokraten hätten an der Wahl von Andrey wohl ebenso grosses Interesse, wie die Bürgerlichen an derjenigen von Jositsch.
Schliesslich hatte Burkart auf SRF denn auch versöhnlich festgehalten: «Für die SP ist alles aufgegangen. Sie haben einen der offiziellen Kandidaten im dritten Wahlgang durchgebracht. Das ist ungefähr das, was bei einer Bundesratswahl normal ist. Hier muss man die Kirche im Dorf lassen!»