Coronavirus: BAG korrigiert R-Wert von 0,99 auf 0,89
Die Neuinfektionen mit dem Coronavirus gehen rapide zurück. Dennoch wies das BAG bis gestern einen R-Wert von 0,99 aus. Nun muss die Behörde erneut korrigieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Das BAG hat den von der ETH berechneten R-Wert erneut viel zu hoch ausgewiesen.
- Nun korrigieren die Behörden die matchentscheidende Zahl für den 29.1. von 0,99 auf 0,89.
Die Fallzahlen des Coronavirus kennen seit Wochen nur eine Richtung: nach unten. Am Freitag meldet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit 1253 Fällen einen Rückgang von über 20 Prozent gegenüber der Vorwoche. Die ganze Woche zeigte sich eine ähnliche Tendenz.
Dennoch waren viele weiterhin nervös. Wegen der offenbar ansteckenderen Mutation warnt die wissenschaftliche Taskforce vor einer Explosion der Fallzahlen. Und die ETH untermauerte diese Befürchtung. Denn trotz massiv sinkenden Zahlen schätzte sie den vom BAG publizierten Wert bis gestern auf 0,99 am 29. Januar.
Das würde bedeuten, dass 100 Infizierte an diesem Tag 99 weitere angesteckt hätten. Dies würde auch dazu führen, dass der Sinkflug der Fallzahlen aufhört. Längst haben viele bemerkt, dass das nicht stimmen kann. Und nun auch die Behörden selbst.
Still und leise korrigiert das BAG am Freitag den Wert für den 29. Januar von 0,99 auf 0,89 – ein massiver Unterschied. Und auch ein wichtiger: Denn die Landesregierung schenkt dem R-Wert bei Entscheiden über die Schliessung ganzer Branchen eine immense Beachtung.
BAG und ETH verrechnen sich erneut
Bereits bei der letzten Bundesratssitzung konnten Gesundheitsminister Berset und BAG-Kadermann Patrick Mathys den schon damals viel zu hoch ausgewiesenen Wert nicht erklären. Schon damals fiel die matchentscheidende Zahl am Freitag danach komplett in den Keller (von 1,01 auf 0,92).
Diese Tatsache sorgte weitherum für riesigen Ärger. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi forderte bei Nau.ch gar den Rücktritt von Bundesrat Alain Berset. Es dürfe nicht sein, dass die Regierung die Bevölkerung aufgrund offensichtlich falscher Daten einsperre, argumentiert die grösste Partei des Landes.
BAG und ETH kommunizieren nicht aktiv über Schwankungen im R-Wert, welche im kleinen Bereich völlig normal sind. Und: Bei den jüngsten R-Werten gilt ein relativ grosses Konfidenzintervall. Dennoch fällt auf, dass sich die Behörden wiederholt am Freitag nach unten korrigieren müssen.
Korrektur erhöht Lockerungsdruck auf Bundesrat
Aus dem Umfeld der Taskforce ist zu hören, dass am Freitag ein jeweils vier Tage aktuellerer R-Wert als am Donnerstag publiziert werde. Während mehreren Tagen würde die Zahl aufgrund von Effekten des Wochenendes nicht zuvor aktualisiert.
Dennoch: Aufgrund der verfügbaren Daten war offensichtlich, dass die ETH-Zahl nicht stimmen kann. Diese basiert gemäss BAG auf «umfangreichen Daten und statistischen Annahmen». Der aktuelle R-Wert bildet die Infektionslage für die Schweiz von vor zehn bis 13 Tagen ab.
Die Berechnung ist hochkomplex. Auf Anfrage von Nau.ch stellte die wissenschaftliche Taskforce eine Erklärung zur Verfügung. Diese sorgte allenthalben aber eher für Verwirrung denn Klärung.
Die erneute Korrektur dürfte den Druck auf den Bundesrat erhöhen, an seiner Sitzung vom Mittwoch erste Lockerungsschritte ins Auge zu fassen. Nach entsprechenden Offensiven von SVP und Gewerbeverband sprach sich jüngst gar Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard für Lockerungen aus.
Taskforce: Briten-Mutation 50 Prozent ansteckender
Während eine Petition für ein Ende des Lockdowns mittlerweile von über 220'000 Menschen unterschrieben wurde, warnt die Taskforce weiter vor der Mutation. Diese ist gemäss Präsident Martin Ackermann um 50 Prozent ansteckender als die herkömmliche Corona-Variante.
Im Kanton Genf wird der Anteil dieser Mutanten bereits auf über 60 Prozent geschätzt. Dennoch liegt der jüngst publizierte R-Wert im Kanton «nur» bei 0,95. Auch dieser wurde aber deutlich herunterkorrigiert.
Deshalb äusserten in den letzten Tagen Politiker und auch Wissenschaftler vermehrt Zweifel daran, ob die Briten-Variante tatsächlich dermassen viel ansteckender ist wie befürchtet.