Der Nationalrat in Kürze
STRASSENVERKEHR: Bei Raserdelikten sollen die Gerichte wieder einen Ermessensspielraum erhalten. Der Nationalrat hat am Mittwoch bei der Revision des Strassenverkehrsgesetzes die schon im Herbst 2021 beschlossene Abschaffung der Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bestätigt. Auch der Mindestentzug des Führerausweises wird von 24 auf 12 Monate halbiert. Rasende Blaulichtfahrer sollen etwas weniger hart angefasst werden. Die gesamte Revision hiess der Rat nach vierstündiger Debatte in der Gesamtabstimmung mit 156 zu 28 Stimmen gut. Die Nein-Stimmen kamen vor allem von den Grünen. Die Vorlage geht nun in den Ständerat. Dort will sich Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga noch einmal für die Velohelmpflicht für 12- bis 16-Jährige stark machen, die der Nationalrat aus dem Gesetz gestrichen hat.
Das Wichtigste in Kürze
- UKRAINE: Der Nationalrat hat den Sicherheitspolitischen Bericht 2021 des Bundesrates einstimmig zur Kenntnis genommen.
Dieser beschreibe die Situation treffend, lautete der Tenor. Mit Blick auf den Angriff auf die Lage in der Ukraine wurden verschiedentlich Stimmen für eine Erhöhung des Armeebudgets laut. «Es müssen weitere Anstrengungen erfolgen und die notwendigen Investitionen freigegeben werden, damit die sicherheitspolitischen Ziele auch erreicht werden», sagte etwa Thomas Rechsteiner (Mitte/AI). Zurückhaltender äusserte sich die Ratslinke. Sicherheitspolitik umfasse viel mehr als die militärische, geopolitische Perspektive. Der Sicherheitspolitische Bericht wird als nächstes vom Ständerat behandelt.
SICHERHEIT: Der Nationalrat hat zwei die Sicherheitspolitik betreffende Postulate an den Bundesrat überwiesen. Konkret soll die Regierung in einem Bericht darlegen, inwiefern die Schweiz von Beeinflussungsaktivitäten und Desinformationskampagnen betroffen ist und was dagegen unternommen werden könnte. In einem zweiten Bericht soll der Bundesrat eine Übersicht der für die Bewältigung von klimabedingten Naturgefahren benötigten Fähigkeiten aufzeigen, welche durch den Bevölkerungsschutz, die Armee oder den Zivildienst erbracht werden müssen, um die Sicherheit in der Schweiz zu gewährleisten.
CORONAVIRUS - ARMEE: Das Parlament hat den dritten Armeeeinsatz in der Covid-19-Pandemie nachträglich gutgeheissen. Der Bundesrat hatte den Assistenzdienst von bis zu 2500 Armeeangehörigen bis Ende März im Dezember bewilligt. Nach dem Ständerat sagte nun auch der Nationalrat Ja. Bis zu 570 Armeeangehörige waren seit Dezember 2021 und bis etwa Mitte Februar gleichzeitig im Einsatz. Sie leisteten bis zum Ende des dritten Armeeeinsatzes rund 21'000 Diensttage. In den Kantonen Jura, Wallis, Neuenburg, Freiburg, Aargau, Nidwalden und Bern half das Militär beim Impfen. Die Kantone Jura, Freiburg, Wallis, Luzern, Genf und Bern benötigten Armeeangehörige auch für die Mithilfe bei der Grund- und Intensivpflege in Spitälern.
SCHWEIZ - EU: Der Ständerat muss sich nochmals mit der Schweizer Beteiligung am digitalen EU-Sicherheitssystem Fado (False and Authentic Documents Online) befassen. Der Nationalrat hat mit 112 zu 37 Stimmen ohne Enthaltungen entschieden, dass der Bundesrat Luftfahrtunternehmen in Eigenregie ein vorübergehendes Zugriffsrecht auf die Daten geben können soll. Das Geschäft geht damit noch einmal an den Ständerat. Mit dem Fado-System werden innerhalb des Schengen-Raums Informationen zu Sicherheitsmerkmalen von Ausweisdokumenten ausgetauscht - und Bilder gefälschter Ausweise. Die Schweiz nutzt das System seit 2010.
ARMEE I: Der Bundesrat muss Unrecht aufarbeiten, das Homosexuellen in der Armee bis in die 1990er-Jahre angetan worden ist. Prüfen soll die Landesregierung auch eine Wiedergutmachung. Mit 132 zu 52 Stimmen und bei 7 Enthaltungen hiess der Nationalrat ein Postulat aus der SP-Fraktion gut, gegen den Willen der SVP-Fraktion. Dieses fordert einen Bericht zum Umgang der Armee mit Homosexuellen und Angehörigen anderer Minderheiten. Der Bundesrat war mit der Forderung einverstanden. Postulantin Priska Seiler Graf (SP/ZH) berichtete über die Kennzeichnung von Homosexuellen in den Dienstunterlagen, mit den mit Bleistift angebrachten Buchstaben «HS». Ein solcher diskriminierender Eintrag habe für die Betroffenen weitreichende Folgen haben können.
ARMEE II: Der Nationalrat will eine Pflicht für junge Frauen prüfen, an Orientierungstagen der Armee teilzunehmen - heute ist dieser Anlass lediglich für Männer obligatorisch. Frauen sollen so mehr erfahren über Möglichkeiten, die ihnen die Armee bietet und ihnen einen freiwilligen Dienst schmackhaft machen. Der Nationalrat überwies das Postulat von Stefanie Heimgartner (SVP/AG) mit 125 zu 64 Stimmen, gegen den Willen der Linken. Die Armee sei auf Frauen noch nicht ausreichend vorbereitet, sagte Franziska Roth (SP/SO). Der Bundesrat war mit dem Vorstoss einverstanden. Damit in Armee und Zivilschutz künftig genügend Personal rekrutiert werden kann, prüft er unter anderem eine Dienstpflicht für Frauen.
UMWELT: Der Bundesrat muss Zahlen liefern zu von der Armee belasteten Standorten. Im Bericht, den der Nationalrat mit einem Postulat von Baptiste Hurni (SP/NE) bestellt hat, muss der Bundesrat auch erläutern, welche Risiken die Belastungen für Mensch und Umwelt bedeuten. Auch wann und wie die Standorte saniert werden sollen, muss der Bundesrat darlegen. Einige Standorte seien glücklicherweise schon saniert, sagte Hurni, aber es fehle der Gesamtüberblick. Der Bundesrat war mit dem Vorstoss einverstanden. Der Nationalrat überwies das Postulat mit 140 zu 51 Stimmen. Mit Nein stimmte die SVP. Das Problem sei ja bereits aufgenommen worden, sagte Sprecher Mauro Tuena (ZH). Das Kataster der belasteten Standorte des Verteidigungsdepartements ist öffentlich zugänglich.
BESCHAFFUNGEN: Bei Beschaffungen von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Schweiz zum Schutz der Bevölkerung sollen Schweizer Hersteller gegenüber ausländischen Anbietern bevorzugt werden. Das fordert der Nationalrat mit einer Motion. Die grosse Kammer hat einen entsprechenden Vorstoss von Ida Glanzmann-Hunkeler (Mitte/LU) mit 147 zu 40 Stimmen bei 3 Enthaltungen angekommen. Dagegen stimmten die FDP- und die GLP-Fraktion. Stimmt auch der Ständerat der Motion zu, muss der Bundesrat das Beschaffungsrecht anpassen, wenn es um Informations- und Kommunikationstechnologien und -mittel für Organisationen wie beispielsweise die Schweizer Armee, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) oder den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) geht.
OBERAUFSICHT: Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat den Jahresbericht der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) zur Kenntnis genommen. Die beiden GPK haben im Jahr 2021 die Aufarbeitung der Massnahmen des Bundesrats zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie fortgesetzt. Die GPDel befasste sich unter anderem mit der Crypto-Affäre und dem «rechtlich problematischen 'Geschäftsmodell' des Ressorts Cyber im Nachrichtendienst des Bundes (NDB)». In letzterem Fall verzichtet sie auf eine eigene Inspektion und vertraut auf eine laufende Administrativuntersuchung.
Die Traktanden des Nationalrats für Donnerstag, 10. März (08:00 bis 13:00):