Drag Queen «Ray Belle» kandidiert für Nationalrat: Ein Gespräch
Eine Drag Queen kandidiert für den Nationalrat: Der Bühnenname Ray Belle steht auf der Liste, das Foto wurde in Drag geschossen. Nau.ch hat sie interviewt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Drag Queen Ray Belle kandidiert für den Nationalrat auf der SP Queer Liste.
- Dies in einem Wahlkampf, wo Drag Queens als Feindbild konservativer Rechter dienen.
- Wieso Ray Belle trotzdem die Kandidatur gewagt hat, erzählt sie im Interview.
Die Perücke ist üppig, das Make-up auffällig, die Nägel lang: Drag, die Kunstform, ein Geschlecht übertrieben darzustellen, ist mittlerweile ein Mainstream-Thema. «Drag Queens» nennt man Menschen, die als Frauen performen.
Ray Belle ist eine davon. Auf Instagram folgen der Künstlerin über 1500 Menschen, dort, wo sie ihre Kandidatur für den Nationalrat in den Wahlen 2023 angekündigt hat. Das, obwohl LGBTQ-Menschen wieder mehr Hass und Gewalt erfahren. Doch genau deswegen kandidiert Ray Belle, sagt sie im Interview.
Nau.ch: Ray Belle, in Ihrem Instagram-Profil steht, Sie identifizierten sich mit den Pronomen they/them, aber auch mit sie/ihr. Wie soll man Sie am besten ansprechen?
Ray Belle: Privat identifiziere ich mich mit they/them, oder einfach mit keinen Pronomen. In Drag aber ist mein Charakter eine sie/ihr.
Nau.ch: Im Foto auf der Kandidierendenliste sind Sie mit Perücke und auffälligem Drag-Make-up zu sehen. Heisst das, Sie kandidieren als Drag Queen?
Ray Belle: Ja, ich kandidiere als Drag Queen, als Ray Belle.
Nau.ch: Wieso nicht als Sie selbst?
Ray Belle: Ich mache schon lange Aktivismus, deswegen war schon lange klar, dass ich auf die Queer-Liste kandidieren würde. Mein Drag-Queen-Charakter kann mehr Sichtbarkeit für queere Identitäten schaffen.
Deswegen habe ich mich dazu entschieden, als meine Persona für die Wahlen anzutreten. Letztlich ist es aber auch so, dass ich in Drag mehr auffalle. Und in Drag habe ich eine grössere Reichweite, vor allem auf Social Media, was wiederum zu mehr Sichtbarkeit für die Anliegen der SP führt.
Nau.ch: Was sind denn Ray Belles politischen Schwerpunkte?
Ray Belle: Natürlich LGBTQ-Themen, aber auch Migrationspolitik und Bildungspolitik, da ich im Kindergarten arbeite.
Nau.ch: Kandidieren noch andere Drag Queens, die Sie kennen?
Ray Belle: Soweit ich weiss, bin ich die einzige Person, die in Drag kandidiert. Es gibt aber Drag Queens die nicht als ihre Persona kandidieren, zum Beispiel Mona Gamie, die als Tobias Urech auf der Liste steht.
Nau.ch: Drag Queens sind in letzter Zeit zu einer Art Feindbild der Rechten geworden. Haben Sie keine Angst, als Ray Belle zu kandidieren und öffentlich hinzustehen?
Ray Belle: Es macht mich schon nervös und ich habe es mir lange überlegt. Gedanken darüber gemacht habe ich mir schon bevor der Backlash so gross wurde, wie er heute ist. Aber es ist wichtig, sichtbar zu sein. Die Rechten denken, Drag Queens sind eine einfach angreifbare Gruppe und dass sie so die ganze Gemeinschaft einschüchtern können – sind wir aber nicht.
Ich möchte nicht, dass wir uns alle verstecken müssen. Ich möchte dagegen kämpfen. Zum Glück habe ich ein gutes Unterstützungsnetz um mich herum, sollte der Hass zu stark werden.
Nau.ch: In den USA ist die Debatte rund um Drag regelrecht zu einem Kulturkampf entfacht. Könnte das bei uns auch so werden?
Ray Belle: Das ist schwierig einzuschätzen. In den USA gibt es eine ganz andere Ausgangslage, die Menschen können Waffen tragen, das Gewaltpotenzial ist viel höher. Auch die Polarisierung ist meiner Meinung nach viel stärker ausgeprägt als hier in der Schweiz.
Aber: Auch hier gibt es schon Tendenzen zu Gruppierungen, die es weit bringen könnten. Ich werde die gemeinte Gruppe nicht erwähnen, ich will ihnen keine Plattform geben. Aber sie könnten gefährlich werden. Deshalb müssen diese Wahlen möglichst links herauskommen, sonst könnte es Rückschritte für queere Menschen geben.
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