«Ehe für alle»: Kurt Aeschbacher reagiert auf Njet von Roger Köppel
«Dogmatische Purzelbäume»: TV-Moderator Kurt Aeschbacher reagiert auf die Argumente von SVP-Nationalrat Roger Köppel gegen die «Ehe für alle».
Das Wichtigste in Kürze
- SVP-Nationalrat Roger Köppel war mal für, jetzt aber gegen die «Ehe für alle».
- Er hatte sich ursprünglich von TV-Moderator Kurt Aeschbacher überzeugen lassen.
- Aeschbacher hat zwar Verständnis, kritisiert Teile von Köppels Argumentation aber scharf.
«Ich bekenne mich schuldig», sagt SVP-Nationalrat Roger Köppel zu seiner neusten Kontroverse. Noch vor einem Jahr hatte er sich kategorisch für die «Ehe für alle» eingesetzt. Jetzt ist er genau so entschieden dagegen und damit schuldig, «meine Meinung geändert zu haben». Er will ein Nein an der Urne, denn eine Ehe sei zwischen Mann und Frau, Begriffe könne man nicht einfach so umdeuten.
Köppel legt auch offen, wer ihn ursprünglich von der Wichtigkeit der «Ehe für alle» überzeugt hatte: TV-Moderator Kurt Aeschbacher. Gleichberechtigung für Homosexuelle ist beim Weltwoche-Chef zwar grossgeschrieben. Gleichzeitig kritisiert er, dass mit der «Ehe für alle» Tür und Tor für allerlei Absurdes geöffnet würden. Nau.ch hat Kurt Aeschbacher gefragt, was er von dieser 180-Grad-Wende hält.
Nau.ch: Herr Aeschbacher, Roger Köppel hält offenbar grosse Stücke auf Sie und gibt an, er sei damals Ihrem Charisma erlegen. Haben Sie Verständnis dafür, dass man seine Meinung ändert, die man sich aufgrund von Sympathie oder Empathie gebildet hat?
Kurt Aeschbacher: Meinungen kann man im Laufe eines Denkprozesses immer dann ändern, wenn plötzlich neue Fakten oder Erkenntnisse auftauchen. Dafür habe ich volles Verständnis. Auch bei Menschen, die ich wie Roger Köppel mit seinen sonst messerscharfen Analysen sehr schätze.
Nau.ch: Sie sind mit Ihrem Freund Leonardo Reinau verpartnert, wollen aber den «Bund der Ehe» eingehen, sobald es gesetzlich möglich ist. Nur ein Wort, aber «Ehe» ist für Roger Köppel so bedeutungsvoll, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht mitgemeint sein können. Wie elementar sind diese drei Buchstaben wirklich?
Kurt Aeschbacher: Ganz offensichtlich stören sich (primär katholische und fundamentalistische) kirchliche Kreise und jetzt auch Roger Köppel an der Wortwahl rund um diese notwendige rechtliche Gleichstellung aller Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung innerhalb unserer Gesellschaft. Begriffe (auch derjenige der Ehe) entwickeln und verändern sich zum Glück, so wie sich eine Gesellschaft entwickelt.
Nau.ch: Sprich, man darf «Ehe» so weit uminterpretieren, dass damit auch zwei gleichgeschlechtliche Menschen gemeint sein können?
Kurt Aeschbacher: Wenn vor der Aufklärung die Kirche noch den Anspruch auf die absolute Wahrheit hatte und wissenschaftliche Erkenntnisse negierte und sogar verhinderte, leben wir heute zum Glück in einer Gesellschaft, die laufend ihr bisheriges Denken revidiert. Dazu gehört genauso die Aufarbeitung des Kolonialismus, der bis Ende des letzten Jahrhunderts unkritisch als eine positive Errungenschaft eingestuft wurde, wie die Gleichstellung der Frau, wie bei der Ehe für alle um die Akzeptanz diverser Lebensweisen.
Nau.ch: Nun geht Roger Köppel aber noch ein paar Schritte weiter und stört sich nicht nur am Begriff «Ehe». Er beschwört künftige Szenarien herauf, wo Menschen geradeso gut auch Haustieren heiraten könnten. Später gesteht er ein, dass die Möglichkeit der Heirat seiner «superattraktiven Cousine» ihn wieder umstimmen könnte.
Kurt Aeschbacher: Wer in dieser Diskussion die «Ehe für alle» mit der Heirat eines Kanarienvogels gleichsetzt, betreibt bewusst dogmatische Purzelbäume mit dem Ziel der Desavouierung Andersdenkender.
Nau.ch: Aber bei dem Benamsen des Pakts zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts, da wären Sie diskussionsbereit?
Kurt Aeschbacher: Die notwendige Gleichstellung aller Menschen in unserem Land, um damit nicht zuletzt der Verfassung zu ihrer längst notwendigen Anwendung auch für Schwule und Lesben zu verhelfen, kann man «Ehe für alle» oder sonst wie nennen. Es geht dabei nicht um peinliche Wortklaubereien, sondern um gleiche Rechte für alle.